Leseprobe
Oliver Tolmein
Originalton deutsch
Medien und rechte Gewalt
144 Seiten
EUR 11.00     SFr 20.30
ISBN 978-3-89458-131-2

Vorwort

Wie gehen die Medien mit rechter Gewalt um? Das ist eine Frage, auf die keine eindeutige Antwort gegeben werden kann. Weder gibt es die Medien noch läßt sich so einfach sagen, was das Rechte an der Gewalt, was das Gewaltförmige am Rechten ausmacht. Ich habe deswegen gar nicht erst den Versuch unternommen, die Medien und ihre Berichterstattung über rechts hier in allen ihren Facetten wiederzugeben und zu analysieren. Mir geht es nicht um Vollständigkeit, sondern um einen Trend, um den deutschen Mainstream - deswegen habe ich mich ausführlich mit Texten aus Blättern wie Zeit, Spiegel und stern, mit einzelnen Talkshows und Fernsehberichten beschäftigt. Denn Trends schlagen sich eher in den Hintergrundberichten und Reportagen nieder als in der vor allem auf Nachrichten orientierten Berichterstattung der Tageszeitungen.

Ich habe mich in meiner Untersuchung nicht auf Medien und rechte Gewalt beschränkt, sondern Exkurse über den Umgang der Medien mit dem Thema "Ausländerkriminalität" und über die Debatte um "political correctness" gemacht. Hier leisten Zeitungen und Rundfunksender durch Ignoranz und Deutschen-Lastigkeit ihren ganz eigenen Beitrag zur Beförderung einer rechten Hegemonie, der durchaus, obwohl scheinbar akademisch orientiert, ganz praktische und gewaltförmige Auswirkungen haben kann. Eine langfristige Veränderung des öffentlichen rassistischen Klimas setzt voraus, daß ImmigrantInnen nicht ausgerechnet in der Polizei ausführende Organe des repressiven Staates (meistens gezielt gegen andere ImmigrantInnen) werden können, sondern vor allem, ohne sich vorher brav assimiliert zu haben, in den Schaltzentralen der herrschenden Meinung zunehmend eigene Akzente setzen: und zwar nicht als Fachleute für "Ausländerfragen", eher als ExpertInnen fürs Deutsche ...

Den zweiten Teil des Buches bilden Gespräche mit Journalisten, die in unterschiedlichen Medien tätig und in der Debatte engagiert sind. Mir ging es in den Gesprächen weniger um einen Streit, sondern darum, deutlich werden zu lassen, welche Diskussionen in den Redaktionen geführt werden, welche Überlegungen die Berichterstattung beeinflussen. Daß es kein noch kontroverseres Gespräch gegeben hat, liegt daran, daß einige Vertreter der "Diskussion mit jedem"-Position an der kontroversen Auseinandersetzung mit einem linken, als "pc"-Enthusiast eingeschätzten Autor kein Interesse hatten; auch von Verantwortlichen in öffentlich-rechtlichen Anstalten habe ich etliche Absagen erhalten.

Den Gesprächspartnern, die sich trotz ihres vollgestopften Terminkalenders Zeit genommen haben, danke ich hier nochmals. Daß "Der heiße Stuhl" das Erscheinen dieses Buches nicht erleben würde, war zum Zeitpunkt des Gesprächs, im Mai 1994, nicht absehbar.

Medien, rechte Gewalt, AusländerInnen - das ist kein akademisches Thema. Die Situation von Flüchtlingen in Deutschland wird, auch wenn darüber wenig zu lesen ist, aufgrund staatlicher Gewaltmaßnahmen zunehmend dramatisch. Immer mehr Menschen, die in die Länder, aus denen sie kommen, nicht zurück können und wollen, weil ihnen dort Hunger, Folter oder Verfolgung drohen, werden hier in die Illegalität gezwungen. Neben der Öffentlichkeit, die notwendig ist, um die zunehmende Ausgrenzung von Flüchtlingen zu verlangsamen oder gar allmählich rückgängig zu machen, brauchen die von rechter und staatlicher Gewalt Bedrohten auch ganz banal - Geld. Deswegen geht eine Mark des Verkaufspreises dieses Buches an eine Initiative, die Flüchtlingen das Überleben in Deutschland ermöglicht.

Hamburg, Juli 1994 Oliver Tolmein

© Konkret Literatur Verlag, Ehrenbergstr. 59, 22767 Hamburg

 Zurück     Weitere Leseprobe