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36 Jahre Konkret CD

36 Jahre Konkret CD


Heft 10 2011

von konkret

   Feine Gesellschaft (1)

Nazis können so nett sein. Sogar die erste stalinistische Adresse am Ort reden sie mit ausgesuchter Höflichkeit an:

Liebe Redaktion,

das ist die von KONKRET, der sie mitteilen, daß jetzt auch der »Altbundespräsident Herzog« ihrer »Jungen Freiheit« in einem Interview mitgeteilt hat, er werfe »Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat vor, leichtfertig Kompetenzen nach Brüssel abzugeben«. So überraschend, wie die Kameraden glauben machen wollen, ist Roman Herzogs Auftritt am braunen Rand ganz und gar nicht. Bevor der »Altbundespräsident« »Altbundespräsident« wurde, war er zuerst wissenschaftlicher Assistent von Theodor Maunz, der schon als SA-Professor »gegen das Judentum in der Rechtswissenschaft« gekämpft und später als führender Kommentator des Grundgesetzes sowie bayrischer Kultusminister unter Pseudonym Glossen für die Nazizeitung seines Kameraden Gerhard Frey geschrieben hatte, die ihrerseits (durch Maunzens Hand?) den Roman Herzog, zu dieser Zeit schon Protegé des Marinerichters Hans Filbinger, protegiert hatte. Man könne sich, schrieb das alte Naziblatt, »an der Spitze des höchsten deutschen Gerichts keinen geeigneteren Fachmann als Prof. Herzog vorstellen« (siehe Otto Köhler: »Ein ordentlicher Rechts-Professor«, KONKRET 8/83). Und bevor wir einen weiteren Hinweis von der braunen an die »liebe« Redaktion vergessen:

Außerdem in der Jubiläumsausgabe der »JF«: Beiträge von Peter Scholl-Latour, Oswald Metzger, Hans-Olaf Henkel und Prinz A. Asserate.

It’s a small world.

   Feine Gesellschaft (2)

Ein Briefroman (als Gremlizas Beitrag zur Frankfurter Buchmesse):

Hamburg, 28. April:

Liebe Sahra Wagenknecht,

in der Reihe »Gremlizas Gespräche« (bisher unter anderen mit Ferridun Zaimoglu, Albrecht Müller, Michel Friedman, Luc Jochimsen, Wladimir Kaminer, Hermann Kant, Dietmar Dath), die später auch in Buchform erscheinen wird, wünsche ich mir als nächste Gesprächspartnerin: Sie. Sollten Sie den Charakter dieser Gespräche nicht kennen: im Anhang finden Sie eins. Mögen Sie? Wenn ja: Geht’s in der nächsten Woche?

Es grüßt Sie Ihr Gremliza

Berlin, 29. April:

Lieber Hermann Gremliza,

was genau wären denn die Themenschwerpunkte eines solchen Gesprächs, und welche Bereiche sollen im Vordergrund stehen? Es wäre schön, dazu noch Näheres zu erfahren. Allerdings kann ich schon direkt sagen, daß ein Gespräch in der nächsten Woche terminlich definitiv nicht möglich wäre.

Beste Grüße, Sahra Wagenknecht

Hamburg, 30. April:

Liebe Sahra Wagenknecht,

Sie fragen nach Themenschwerpunkten und Bereichen im Vordergrund. Das hat von den zehn Partnern der Reihe noch keiner gefragt – aus Gründen: Gremlizas Gespräche sind keine Abfrage-Interviews, ihnen ist keine Agenda vorgegeben, ihr Verlauf folgt der inneren Logik des gesprochenen Worts. Vielleicht haben Sie ein paar Minuten, sich das Gespräch mit Zaimoglu anzusehen, das ich als beispielhaftes beigefügt hatte. Was den Termin angeht, könnte ich Ihnen noch den 9. und 10. Mai anbieten. Danach bin ich lange Zeit außer Landes.

Es grüßt Sie Ihr Gremliza

Berlin, 2. Mai:

Lieber Hermann Gremliza,

leider muß ich terminlich passen. Sowohl der 9. als auch der 10. Mai sind bei mir ebenfalls schon komplett voll. Ich fürchte deshalb, daß es vor Ihrer Auslandsreise nichts mehr wird. Es tut mir leid!

Beste Grüße, Sahra Wagenknecht

Hamburg, 28. Juli:

Liebe Sahra Wagenknecht,

zurück in Hamburg, nehme ich einen neuen Anlauf. Hätten Sie in den nächsten Wochen Zeit? Und wann? Schlagen Sie bitte einen Termin vor. Und ich will zusehen, daß ich ihn wahrnehmen kann.

Beste Grüße, Hermann Gremliza

Berlin, 17. August:

Sehr geehrter Herr Gremliza,

Frau Wagenknecht ist momentan in Urlaub und wird erst wieder im September in Berlin sein. Die Terminlage im Herbst wird sich noch erheblich ändern, weshalb ich Sie derzeit um Geduld bitten muß.

Mit freundlichen Grüßen, Ruth Firmenich

Hamburg, 7. September:

Liebe Sahra Wagenknecht,

vor einigen Tagen hat mir eine Kollegin die Kopie einer Doppelseite aus der Farbanzeigenbeilage der »Süddeutschen Zeitung« gezeigt, auf der, wie sie sagte, allerlei Prominente sieben launige Fragen der Redaktion mit Posen beantworten, in denen sie sich fotografieren lassen. In der Ausgabe vom 2. September sind die Prominente Sie und die Fragen lauten:

»Als Bundestagsabgeordnete verdienen Sie 7.668 Euro im Monat. Sind Sie reich? Ihre größte Gemeinsamkeit mit Rosa Luxemburg? Wofür haben Sie das letzte Mal richtig viel Geld ausgegeben? Schon mal heimlich was gemacht, was keiner wissen darf, weil es Ihre Glaubwürdigkeit als Linke untergraben würde? Was denn? Lieber ein Kanzler Trittin oder ein Kanzler Steinbrück? Wie sieht es eigentlich aus, wenn Sie Ihre Haare offen tragen?«

Darauf antworten Sie, der Reihe nach, mit mir unverständlichen Fingerzeichen, mit einem aufgeschlagenen Buch in Händen, mit einem galanten Raffen Ihres Rüschenrocks, mit einem Blinzeln durch gespreizte Finger, mit einer Havanna vorm Mund, in einer Abwehrhaltung und, zum Schluß, mit geöffnetem Haar.

Und nun fühle ich mich doch tief beschämt: von der Farbanzeigenbeilage wie von Ihnen und Ihrem gemeinsamen Geniestrich durch meine Neugier. Ob Peter Hacks nicht ein bißchen von der Spur war, als er mich kurz nach der Kapitulation der DDR in einem Brief fragte: »Kennen Sie schon unsere neue Rosa Luxemburg?«

ENDE.

   Alles muß raus!

Der Trend zum papierlosen Büro macht auch vor KONKRET nicht halt. Daher finden Sie im aktuellen Heft auf Seite 41 zum letzten Mal die gedruckte Version der Autorenbibliothek in bekannter Form; auf Neuerscheinungen von KONKRET-Autorinnen und -Autoren wird die Redaktion aber auch künftig im Heft, auf der Homepage und via Twitter/Facebook hinweisen.

   Veranstaltungen

Duisburg, 5. Oktober, Internationales Zentrum, Flachsmarkt 1, 19 Uhr: »Das Problem heißt Antisemitismus. Duisburg, die Linke und die ›Israelkritik‹«; mit Alex Feuerherdt, Olaf Kistenmacher, Sebastian Voigt.

Frankfurt, 13. Oktober, IG-Farben-Campus der Universität, Grüneburgplatz 1, 19 Uhr: Mein elfter September; Buchvorstellung mit Alex Feuerherdt und Jörg Gronius.

Hamburg, 30. Oktober, Polittbüro, Steindamm 45, 20 Uhr: Hermann L. Gremliza und Horst Tomayer: »Es gibt kein richtiges Leben in Flaschen« – Das Comeback des »Sehr gemischten Doppels« im Polittbüro!

KONKRET Text 56


KONKRET Text 55


Literatur Konkret Nr. 36