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36 Jahre Konkret CD

36 Jahre Konkret CD


Heft 07 2009

von konkret

   Trendsetter KONKRET (1)

Sie nutzen die Gunst der Stunde, um nun mit den Resten der '68er-Revolte auch den letzten Gedanken an politischen Widerstand noch abzuräumen und die Geschichte des NS-Nachfolgestaats Bundesrepublik vollends unkenntlich zu machen. "Das bestätigt doch nur, der ganze linke Kram war Müll", sagt der ehemalige Chefredakteur der "Bildzeitung", Hans-Hermann Tiedje über den Fall Kurras (siehe dazu in der Printausgabe Seite 3 und 42), und Mathias Döpfner, der Vorstandsvorsitzende des Springer-Verlags, findet, "es wäre an der Zeit, daß sich die uneinsichtigen Protagonisten der '68er-Bewegung mal bei unserem Haus entschuldigen". Denn: "Dem Axel-Springer-Verlag ist Unrecht widerfahren" - durch die damalige "erfolgreiche Diffamierungskampagne" ("Enteignet Springer"), die "bis heute" dazu führe, "daß der Verlag bei den Ewiggestrigen (!) als Hort des Reaktionären, als zentral gelenktes Meinungsmonstrum wahrgenommen wird".

Den Interviewern, die Döpfner für die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" ("FAS") befragten, fiel zum "Einfluß der SED und der Stasi auf die Bundesrepublik" (Döpfner) ein origineller Hinweis ein, und Döpfner eine Antwort:

"‚FAS': Die Auflage von KONKRET stieg um den Faktor fünf, als die SED aufhörte, KONKRET zu finanzieren. Es scheint, die Freiheit verkauft sich doch besser.

Döpfner: Ja, das ist ja auch das Geschäftsmodell von Axel Springer."

Was ist das Geschäftsmodell von Springer? Die Freiheit verkaufen? Aber nicht die Einstellung der Finanzierung des alten KONKRET durch die SED (1964), sondern die Entscheidung der damaligen KONKRET-Macher (Herausgeber: Klaus Rainer Röhl), den Absatz des Heftes durch Titten auf dem Titel und Sexgeschichten im Innenteil anzukurbeln, sorgte für eine sprunghafte Steigerung der Auflage. Und damit stimmt dann auch die Chose mit dem Springerschen Geschäftsmodell: Die Freiheit, die sie meinen, ist die Freiheit der "Bildzeitung", mit einer Wichsvorlage aufzumachen.

   Trendsetter KONKRET (2)

In der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" reagiert der emeritierte Paderborner Soziologieprofessor Arno Klönne in einem Leserbrief auf einen Beitrag des ehemaligen KONKRET-Redakteurs und späteren "Spiegel"-Chefs Stefan Aust zum Fall Kurras beziehungsweise zum "Schuß, der die Republik veränderte" ("FAZ"):

"Übrigens hat zur in manche politischen Irrwege führenden sogenannten Radikalisierung eines Teils der Apo um 1968 der KONKRET-Journalismus jener Jahre möglicherweise mehr beigetragen als der Schuß von Kurras."

Und das, man denke, vier Jahre nach Einstellung der Finanzierung des Blattes durch die SED.

   Empfehlung

So langsam spricht sich herum, wie wichtig für das Verständnis des Nationalsozialismus und seiner Nachwirkung Jens Hoffmanns Buch "‚Das kann man nicht erzählen.' - ‚Aktion 1005' - Wie die Nazis die Spuren ihrer Massenmorde in Osteuropa beseitigten" (konkret texte 46/47) ist. Die "Süddeutsche Zeitung" schreibt:

"Im Frühjahr 1942 gaben der Chef der Sicherheitspolizei, Reinhard Heydrich, und Gestapochef Heinrich Müller dem SS-Standartenführer Paul Blobel den Auftrag, die verscharrten Leichen der Massenmorde von SS, Wehrmacht und Polizei zu beseitigen. Das ist der Ausgangspunkt der Studie von Jens Hoffmann über die ‚Aktion 1005'. ... Der Historiker aus Berlin hat Aussagen der wenigen Überlebenden, Schriftstücke der Täter sowie Protokolle von Vernehmungen recherchiert und ausgewertet und mit seiner dreieinhalbjährigen Arbeit eine wichtige Forschungslücke geschlossen."

In "Einsicht 01", dem "Bulletin des Fritz-Bauer-Instituts", schreibt Micha Brumlik:

"So unerträglich die sorgfältige Lektüre des hier vorzustellenden Buches ist, so wenig Zweifel können daran bestehen, daß es sich bei ihm um eine bedeutende, wenn nicht sogar die bedeutendste Studie zum Mord an den europäischen Juden handelt, die in den letzten Jahren publiziert worden ist. ... Nicht nur beherrscht (der Autor Jens Hoffmann) souverän seine von ihm neu erschlossenen Quellen und weiß - methodologisch reflektiert - ihren Indizien- und Zeugenwert einzuschätzen, sondern er verfügt zudem über die eher seltene Gabe, das Material übersichtlich anzuordnen und in einem klaren, flüssigen Duktus vor dem Leser auszubreiten. Endlich enthält der Band einen reichhaltigen Fußnotenapparat speziell zur Biographie der Täter - er könnte auch getrennt vom Haupttext gelesen werden und stellt so ein Kompendium biografischer Täterforschung dar. ...

Aber womöglich, dieser Gedanke meldet sich nach der Lektüre dieses Buches unabweisbar, besteht die Singularität des Holocaust doch nicht nur darin, daß es wesentlich die "Eliten" einer hochzivilisierten Gesellschaft wie der deutschen waren, die diese Verbrechen befehligt und begangen haben, sondern womöglich doch darin, wie sie ihre vermeintlichen Feinde ermordet und deren Leichname ohne Ende geschändet haben. Nach auch nur Ähnlichem wird man in der an Furchtbarkeiten wahrlich nicht armen Geschichte der Geno- und Politizide erfolglos suchen."

Jens Hoffmanns Buch ist beim Verlag und im Buchhandel erhältlich (432 Seiten, 29,80 Euro; bei Verlagsbestellungen plus Porto).

Am 11. Juli findet im Rahmen der Linken Buchtage Berlin eine Veranstaltung mit dem Autor zu diesem Buch statt. Ort: Mehringhof, Gneisenaustraße 2a; Beginn: 12 Uhr.

   Weiteres

Am 13. Juli findet in Stuttgart, Literaturhaus, Breitscheidstraße 4, um 20 Uhr eine Veranstaltung aus Anlaß des 75. Geburtstags von Peter O. Chotjewitz statt: Lesung und Musik.

KONKRET Text 56


KONKRET Text 55


Literatur Konkret Nr. 36