Mördergrube (1)

Zum Ende der Haft des Christian Klar, der länger gefangen gehalten worden ist als jeder deutsche Judenmörder, von normalen Mitgliedern der Mörderbande wie dem SS-Mann Hanns Martin Schleyer nicht zu reden, erfuhr KONKRET vom Delinquenten: "Liebe Leute", schrieb Klar an den Verlag, "die Dezember-KONKRET ist angekommen. Ich möchte euch darauf aufmerksam machen, daß, wegen der bevorstehenden Haftentlassung, die Zusendung der Hefte künftig also nicht mehr notwendig ist. Ich bedanke mich sehr herzlich für das jahrelange Frei-Abo. Jedes Heft hat hier immer eine ganze Reihe Leser gehabt. Grüße! C."

Jetzt, da Klar draußen ist, kann er auch den "Focus" lesen und von dessen Chefredakteur, der nicht zu Unrecht Markwort heißt, Nachhilfe in gesundem Volksbewußtsein bekommen:

"Dem Gerechtigkeitsempfinden vieler Menschen entspricht die Großzügigkeit der Richter nicht ... 26 Jahre Haft für neun Morde, das ergibt weniger als drei Jahre für jeden Mord, den Christian Klar auf dem Gewissen hat, falls er ein Gewissen hat. Weniger als drei Jahre pro Mord, das ist ein unverständlicher Rabatt für einen kaltblütigen Mörder ... Der Begriff 'lebenslange Freiheitsstrafe' ist nur noch Volksverdummung.

Herzlich, Ihr Mob. Dessen Leser vor Begeisterung schäumen:

"Mörder haben in Freiheit nichts mehr zu suchen." - "Sie haben vermutlich der Mehrheit der Bevölkerung aus dem Herzen gesprochen." - "Und warum bekommt so ein Killer keine Sicherheitsverwahrung? Das wäre doch das Mindeste ..."

Und so weiter. Fragen, die sich jenseits des Milieus der Blockwarte und Markworte aus Anlaß von Klars Haftentlassung stellen, beantwortet das nach "nur" zwanzig Jahren aus der Haft entlassene ehemalige Mitglied der RAF Karl-Heinz Dellwo ab Seite 23 der Printausgabe.

   Informationsgesellschaft

Unterm Stichwort KONKRET hält das Internetlexikon Wikipedia eine lustige Information vor:

"Unter den Autoren finden sich auch solche, die in der Zeitschrift selbst an anderer Stelle zum Teil heftig kritisiert wurden; zu ihnen gehören u.a. Wolf Biermann, Norbert Blüm, Daniel Cohn-Bendit, Fritz J. Raddatz, Alice Schwarzer, Günter Wallraff und Gerhard Zwerenz."

"Finden sich", im Präsens. Biermanns letzter Beitrag war in LITERATUR KONKRET 1980 zu lesen, Blüms letzter im Januar 1976, Schwarzers letzter im Mai 1981 und Wallraffs letzter im November 1985. Nur bei Zwerenz ist die Wikipedia-Meldung brandaktuell: Sein letzter Beitrag erschien im November 1992.

Von Cohn-Bendit und Raddatz sind seit der Neugründung des Verlags 1974 keine (in Worten: null) Beiträge in KONKRET erschienen.

   Mördergrube (2)

Die Internetzeitung www.regensburg-digital.de berichtet über einen Vortrag, den Erich Später, Autor des konkret-texte-Bandes "Kein Frieden mit Tschechien. Die Sudetendeutschen und ihre Landsmannschaft" am 10. November in Regensburg gehalten hat - Auszug:

"Auf Einladung der 'Jugendinitiative gegen Antisemitismus und Rassismus' spricht Später zu rechtsextremen Tendenzen in den Vertriebenenverbänden. Der Schwerpunkt liegt ... auf der Sudetendeutschen Landsmannschaft (SL). Und so haben sich unter den (größtenteils jüngeren) Besuchern auch etwas betagtere Vertreter der SL eingefunden.

'In der Tschechoslowakei', (so Später), 'hatte die dort lebende deutsche Minderheit eine zentrale Funktion bei der Zerschlagung der Republik und der siebenjährigen deutschen Terrorherrschaft.' Dem Großteil der Täter sei es nach Kriegsende gelungen, zu entkommen. 'Nach 1945 haben sich diese Bankrotteure sofort wieder organisiert.' In Gestalt der Landsmannschaften. Die größte unter ihnen: die Sudetendeutsche. Keine Akzeptanz des verlorenen Krieges, keine Bereitschaft, daraus Konsequenzen zu ziehen, und das stete Bestreben, sich ausschließlich als Opfer, als 'Volksgruppe im Exil' darzustellen, seien die kennzeichnenden Wesenszüge dieser Landsmannschaften. Kennzeichnend auch das Führungspersonal. SS-Sturmbannführer, NSDAP-Kreisleiter etc. waren keine Seltenheit in den Lebensläufen. Später nennt mehrere Beispiele.

Zum Teil lautstark ist der anschließende Protest der anwesenden Funktionäre. 'Sie kommen mir vor, als seien Sie kein Deutscher', hört man aus der einen Ecke. 'Der Altkommunist Wehner hat auch Verbrechen begangen', aus der anderen. Erhard Lug, Vorsitzender des Witikobundes in Regensburg, ist am lautesten. Erst vor kurzem hat der Verfassungsschutz beim Witikobund 'eine Verdichtung von Anhaltspunkten für rechtsextremistische Bestrebungen' ausgemacht. ... Lugs Schlagworte von 'Umerziehung', den 'vielen Schandmalen in Deutschland' und seine Aufforderung, 'deutschnational zu denken', belegen am Mittwoch eindrucksvoll die mehr als fragwürdige Haltung dieses Vereins. Bei offiziellen Terminen posiert Oberbürgermeister Hans Schaidinger schon mal mit Lug vor der Kamera."

Erich Später steht für weitere Veranstaltungen zur Verfügung.

   Weltliteratur

Trotz der Nobelpreise, die das Komitee Jahr für Jahr unter seinen politischen Favoriten auskegelt - es gibt noch Leute, die großer Literatur eine Chance geben und etwa eine historisch-kritische Gesamtausgabe des "Asterix" in zwölf Bänden veranstalten. Im 8. Band findet sich unter dem Faksimile einer vergilbten Zeitschriftenseite diese Anmerkung:

"Zu welch phänomenaler Wertschätzung es die Reihe 'Asterix' bei Lesern wie Kritikern im deutschsprachigen Raum in den späten siebziger Jahren gebracht hat, verdeutlicht die hier abgebildete Rezension. Sie gelangt im Februar des Jahres 1978 in KONKRET, der 'Monatszeitschrift für Politik und Kultur', auf der Seite 49 zum Abdruck. Da heißt es inmitten einer Film- und Buchbesprechung sowie einer Schallplattenanzeige schlicht und ergreifend: 'Der neue 'Asterix' ist da.'"

   Selbstgeißelung

Ein Unfall, nein, ein Malheur:

"Sehr geehrter Herr Gremliza, wenn Sie im erwähnten Artikel schreiben: 'Enrichez-vous!', so kann man nur sagen: Schämez-vous für die Sprachschlamperei, die Sie sonst in 'Gremlizas Express' bei anderen so eifrig geißeln!

Grüße, Brigitta Krempel/Jürgen Schade, Bochum"

Brigitta Krempel und Jürgen Schade haben leider recht. Nicht "Enrichez vous" hieß die Parole, sondern "Enrichissez vous". Gremliza se schäme. Schon im Abiturzeugnis stand bei ihm in Französisch eine Fünf (und in Deutsch eine Vier, was bei dieser Gelegenheit auch gleich das Vorurteil, er verstehe besonders viel von deutscher Grammatik, aufheben sollte). Was ihn an seinem Mißgeschick besonders leiden läßt, ist die Gesellschaft, in die er mit seinem Fehler geraten ist, bestehend aus der Rosa-Luxemburg-Stiftung, der "Süddeutschen Zeitung", der Universität Bern und mehr als achthundert anderen, die ihr "Enrichez vous" im Internet hinterlassen haben, darunter auch die "Chefkorrespondentin" der "Welt", Mariam Lau. Bitter.

   Veranstaltungen

Stefan Frank, Autor des konkret-texte-Bandes "What's new, economy. Die Transformation der Weltwirtschaft", spricht über aktuelle Krisentendenzen: am 6. Januar in Neunkirchen, Jugend und Kulturzentrum, Karl-Schneider-Str. 18, Beginn 18 Uhr.

Gunnar Schubert liest aus seinem konkret-texte-Band "Die kollektive Unschuld. Wie der Dresden-Schwindel zum nationalen Opfermythos wurde" und spricht über "Geschichtsrevisionismus als Normalzustand": am 5. Januar in Oldenburg, Alhambra, Hermannstraße 83, 20.30 Uhr; am 6. Januar in Bremen, Infoladen, St. Paulistraße 10-12, 20 Uhr; am 7. Januar in Hannover, UJZ Kornstraße, 20 Uhr; am 19. Januar (ACHTUNG: Terminänderung!) in Marburg, Havanna 8, Lahntor 2, 20.30 Uhr; am 24. Januar in Leipzig, Absturz, Karl-Liebknecht-Straße 36, 18 Uhr.

KONKRET-Autor Magnus Klaue referiert zum Thema "Karneval der Differenzen. Zur politischen Kritik der Mode": am 30. Januar in Bremen, 19.30 Uhr, am folgenden Tag findet ein Tagesseminar zum Thema statt (weitere Infos unter http://ang.nadir. org/).

Am 24. Januar findet im Hamburger Polittbüro (Steindamm 45) um 20 Uhr eine Veranstaltung mit Thomas Ebermann und Rainer Trampert statt: "Vertrauen" (angesichts der Finanzkrise sehr angesagt) - ein Abend mit neuen und alten Stücken.