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36 Jahre Konkret CD

36 Jahre Konkret CD


Heft 12 2008

von konkret

   Denn er war unser

Ist einer, dessen Maß den Zeitgenossen Sicht und Aussichten verstellt hatte, erst unter der Erde, kommen die Erbschleicher. Um Peter Hacks, beispielsweise, der im Jahrzehnt vor seinem Tod die letzten 41 seiner Gedichte und Essays nur in KONKRET hatte veröffentlichen wollen und können (und war doch so wenig unser, wie wir sein waren), balgen sich seit einiger Zeit die Feuilletons von rechts des Mains bis links der Spree. Während die Frankfurter im Allgemeinen sich strebend bemühen, die mediokre Liste der von ihnen protegierten Nachkriegsliteraten (Grass, Lenz, Walser und so weiter) durch die Aufnahme eines Größeren aufzuputzen (den sie freilich als "salonkommunistischen Boulevardkomödienschreiber" verspottet hatten), reklamieren andere den Dichter als Genossen Antiimp, was sich im Bericht des Chefredakteurs der Tageszeitung "Junge Welt" über eine Anfang November von der Peter-Hacks-Gesellschaft e.V. im Brecht-Haus in der Berliner Chausseestraße veranstaltete Tagung mit abendlicher Diskussion über Hacks als "Dichter der Einheit" so las:

"Am Abend wurde ... u. a. die Frage erörtert, ob Hacks etwa Antisemit gewesen sei. Es gebe da eine "Leerstelle" bei ihm zum "Holocaust", wie die in Westdeutschland gebräuchliche Vokabel nach einer US-Fernsehserie lautet. Nein, nein, Hacks sei keiner, erklärte KONKRET-Herausgeber Gremliza, obwohl sein Autor ihn der Mossad-Verbindung geziehen habe und es merkwürdige Passagen in dessen Briefwechsel mit Kurt Gossweiler gebe. Im Umfeld von Hacks seien Leute, bei denen man sich nicht sicher sein könne. So waren Staatsfrage, Hacks und "deutsche Einheit" schließlich zusammengebracht. Auf den bundesdeutschen Nenner."

Für die Vernichtung der europäischen Juden durch die Deutschen ist "Holocaust" (Brandopfer) gewiß ein falsches Wort, "Shoa" (Katastrophe) ein ebenso falsches anderes. Weil die hebräische Sprache ein drittes, das das unerhörte Verbrechen hätte fassen können, nicht vorrätig hatte, haben sich die Hinterbliebenen der Opfer auf jene beiden geeinigt. Den Holocaust als "gebräuchliche Vokabel nach einer US-Fernsehserie" abzutun, bezeugt ein weiteres Mal das antisemitisch-antiamerikanische Ressentiment dieses Autors und seines Milieus, das zu bestreiten (und zu pflegen) sie nicht müde werden.

Auf der anderen Seite der Spree wußte der "Tagesspiegel" zu melden:

"In Hacks Gedichten nach 1990, die er mangels anderer Publikationsmöglichkeiten fast nur noch in KONKRET veröffentlichte, habe sich, so der Marburger Politologe Georg Fülberth, die Enttäuschung und Verbitterung über eine DDR-Führung eingeschrieben ... Auf das Schicksal dieses Werkes und die politische Zukunft angesprochen, weicht KONKRET-Herausgeber Hermann Gremliza in das Gleichnis aus: Hacks gehöre zu jenen Dichtern, die nachts um halb eins die Straßenbahn verpaßt haben und morgens um neun noch immer an der Haltestelle stehen und freudig rufen: 'Sie kommt!'"

Gesagt worden war, Hacks' beste Stücke seien so gut, "daß sie in der miesen Gegenwart gar nicht aufführbar sind. Dafür aber in der Zukunft. Das ist so, wie wenn ein zukunftsfroher Mensch nachts um eins, nachdem die letzte Tram abgefahren ist, dennoch an der Haltestelle bleibt. Denn er weiß: Um sieben Uhr kommt wieder die erste." Der das gesagt hat, war aber nicht Gremliza, sondern Fülberth. Sonst stimmte wieder mal alles. Und so viel Pressefreiheit soll sein.

   Zukunftsvision

Tempora mutantur, the times they are a-changing und "Die Zeit" mit ihnen:

"Deutschlands Weg zur Revolution / Wie die Bankenkrise, das Internet und der Verfassungsschutz das Land in den Sozialismus führen könnten. Eine prophetische Satire"

druckt das Blatt des Herausgebers Helmut Schmidt weg wie nix, obwohl es vor dem Autor hätte gewarnt sein dürfen, dessen jüngster Roman samt einem irgendwie dazugehörigen Manifest gerade in KONKRET "Buch des Monats" war. In seiner Satire schildert Dietmar Dath den Beginn des Umsturzes mit Krawallen in Lübeck und Umzingelung der Frankfurter Zentrale der Deutschen Bank:

"Broker, Analysten und andere Versager werden vor ihren Handelstempeln angepöbelt, ausgelacht und gedemütigt ... Bei Opel in Bochum kommt es zu ersten Sabotageakten, zum großen Ärger von Konzernleitung und Werkschutz als Dummheit und Ungeschicklichkeit getarnt ... Marcel Reich-Ranicki gibt bei Suhrkamp eine Kassette mit Proletkultklassikern heraus ...

Hermann L. Gremliza, Herausgeber der Zeitschrift KONKRET, erklärt, seine Zeitschrift sei neuerdings regierungsnah, vorausgesetzt, es lasse sich demnächst erkennen, daß es eine Regierung gebe. Das ihm angetragene Amt des obersten Kulturkommissars für den gesamten deutschsprachigen Raum lehnt Gremliza fast beiläufig ab: 'Pipifax.'"

Siehe dazu "Kommt der Kommunismus wieder?" in der Printausgabe auf Seite 8.

   Mit Verlaub

Lange hat die Redaktion gebangt (siehe Editorial 9/08), jetzt kam die Erlösung:

"Betr.: Beschwerde von Frau Anneliese Fikentscher und Herrn Andreas Neumann gegen KONKRET

Sehr geehrter Herr Schneider, der Beschwerdeausschuß des Deutschen Presserats hat die oben genannte Beschwerde als unbegründet bewertet. Die Gründe dafür können Sie der beiliegenden Entscheidung entnehmen.

Arno H. Weyand,

Referent des Beschwerdeausschusses"

KONKRET darf also mit Erlaubnis des Presserats dem iranischen Präsidenten die Absicht unterstellen, Israel zu vernichten. Die Redaktion wagt gar nicht sich vorzustellen, was sie bei einer Verurteilung durch den Beschwerdeausschuß getan hätte. Eine kleine Hymne bestellt, auf Ahmadinedschad, bei Fikentscher und Neumann?

   Veranstaltungen

Stefan Frank, Herausgeber und Co-Autor des Buches "What's new, economy? Die Transformation der Weltwirtschaft" (konkret texte 44), referiert und diskutiert über Ursachen und Verlaufsform der internationalen Finanzkrise (siehe auch in diesem Heft, S. 20): am 2. Dezember in Leipzig, naTo, Karl-Liebknecht-Str. 48, 18 Uhr; am 18. Dezember in Münster, 20 Uhr, Ort steht noch nicht fest, bitte nachsehen unter: www.muenster.antifa.net/al

Vortrag von Lothar Galow-Bergemann zum Thema "Heuschrecken - gierige Manager - geheime Mächte", am 3. Dezember um 19.30 im ZHG 002 (Zentrales Hörsaalgebäude), Göttingen (siehe dazu in diesem Heft S. 15).

Gerhard Henschel liest aus "Die Springer-Bibel. Ein Panorama der Mediengeschichte" (konkret texte 48): am 9. Dezember in Marburg, Café Trauma, 20 Uhr; am 10. Dezember in Augsburg, Kulturclub "Striese", 20 Uhr; am 11. Dezember in Nürnberg, Desi, 20 Uhr.

Stefan Frank und Jens Hoffmann (Autor des Buches "'Das kann man nicht erzählen'. ›Aktion 1005‹ - Wie die Nazis die Spuren ihrer Massenmorde in Osteuropa beseitigten" (konkret texte 46/47)) stehen für weitere Veranstaltungen zur Verfügung. Interessenten melden sich bitte beim Verlag.

KONKRET Text 56


KONKRET Text 55


Literatur Konkret Nr. 36