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36 Jahre Konkret CD

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von konkret

   Mit dem Krieg neigt sich glücklicherweise auch die Hochzeit der deutschen Militär- und Volkstumsexperten aus Politik und Medien ihrem Ende zu. Dem Bundesumweltministerium beispielsweise lagen, so Jürgen Trittin am 26. Februar, "verschiedene Studien vor, darunter UN-Dokumente", nach denen "mit 40.000 bis 200.000 Opfern von militärischen Operationen gerechnet (wird). Es wird befürchtet, daß bis zu 200.000 weitere Menschen an den mittelbaren Folgen eines Krieges sterben." Der Bundeskanzler sprach am 20. März von "Tausenden von unschuldigen Kindern, Frauen und Männern", denen der Irakkrieg "den sicheren Tod bringen wird". Peter Glotz wußte von "Zehntausenden unschuldigen Zivilisten" (30. Januar), denen ein solches Schicksal sicher sei. Der Orient- und Mathematik-Experte Udo Steinbach hatte bereits am 4. August 2002 eruiert, daß die Amerikaner "intern ... mit 40.000 Gefallenen" rechnen.

Die Mutter aller Experten aber, ohne die keine TV-Talkshow mehr auskam, Peter Scholl-Latour, hatte noch am 3. April nach dem "bisherigen Kriegsverlauf ... eine Vorstellung davon, was auf die Alliierten in Bagdad zukommt: Nur nach langen Kämpfen konnte Umm Qasr erobert werden, ein Nest von 4.000 Einwohnern" - und lag mit dieser Prognose ungefähr genauso richtig wie der irakische Informationsminister Mohammed Said el Sahaaf, der noch kurz vor Kriegsende behauptete, "wir werden sie alle abschlachten" - oder auch: "Taumelnde Kräfte von Ungläubigen können nicht einfach in ein Land von 26 Millionen Menschen eindringen und sie belagern. Sie sind diejenigen, die sich unter Belagerung befinden werden ... Jetzt ist sogar das amerikanische Kommando unter Belagerung."

Der Militärhistoriker Stig Förster gab am 27. März zu Protokoll: "Die Iraker hatten ein Jahr lang Zeit, sich auf den Krieg vorzubereiten. Und man sieht es ja auch, wie gut sie sich vorbereitet haben. Sie werden auch für dieses Szenario Gegenmaßnahmen getroffen haben, so daß ein solcher Versuch sicherlich in einer großen Schlacht um Bagdad enden würde." Auch die "Explosion des Mittleren und Nahen Ostens", die die notorische Angelika Beer als Folge eines Irakkrieges kommen sah, ist ausgeblieben, und nicht nur Heidemarie Wieczorek-Zeul dürfte noch immer vergeblich darauf warten, daß sich "die Bevölkerung in den arabischen Staaten ... ganz offen mit Saddam Hussein solidarisiert".

KONKRET-Leserinnen und -Lesern blieben Titel wie "Die entzauberte Weltmacht" ("Stern", 3. April), "Die eingebildete Weltmacht" ("Spiegel", 17. März) oder "Supermacht im Sand - Amerikas stockender Blitzkrieg" ("Spiegel", 31. März) erspart. Leser/innen des konkret-texte-Bandes 33 Thomas von der Osten-Sacken/Arras Fatah (Hg.): "Saddam Husseins letztes Gefecht? Der lange Weg in den III. Golfkrieg" waren vor derlei Phantastereien sowieso gefeit. Wer wissen möchte, wie kam, was kam, kann das Buch für 15,60 Euro (inkl. Porto) beim Verlag bestellen. Mehr zur Kunst deutscher Prognostik und zu ihrem Kalkül findet sich in der Kulturkolumne auf Seite 39 dieses Heftes, in der Gert Ockert die sogenannten Experten der deutschen Talkshows und Nachrichtensendungen vorführt.

Korrektur: Im gerade erschienen konkret-texte-Band 34 von Moshe Zuckermann: "Zweierlei Israel? Auskünfte eines marxistischen Juden an Thomas Ebermann, Hermann L. Gremliza und Volker Weiß", haben sich leider zwei Fehler eingeschlichen: Nicht Norbert Elias, sondern Elias Canetti gedenkt seiner Lehrjahre unter osmanischer Herrschaft mit Dankbarkeit (S. 135). Und Moshe Zuckermann ist Direktor des Instituts für Deutsche Geschichte an der Universität von Tel Aviv (und nicht von Jerusalem, wie auf S. 5 behauptet).

Das Erscheinen des bereits angekündigten konkret-texte-Bands 35, Thomas Uwer/Thomas von der Osten-Sacken (Hg.): "Amerika, dich haßt sich's besser. Die USA in Wahn und Wirklichkeit" verschiebt sich auf Mitte Juli 2003.

KONKRET Text 56


KONKRET Text 55


Literatur Konkret Nr. 36