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36 Jahre Konkret CD

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Heft 12 2004

Christoph Horst

Volksgeisterstunde

Ein ehemaliger Waldorflehrer ist heute bei der NPD. Wen wundert´s?

Andreas Molau war Lehrer für Deutsch und Geschichte an der Waldorfschule Braunschweig, heute ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter und schulpolitischer Berater der NPD-Landtagsfraktion in Sachsen und Autor der Nazi-Zeitung "Deutsche Stimme". Er ist sich treu geblieben. Volksgeister, "degenerierte Rassen" und phrenologische (also von der Schädelform abgeleitete) Charakterisierungen der Schüler spielen in der Waldorfpädagogik eine Rolle, an niederländischen Waldorfschulen wurde bis vor wenigen Jahren noch Rassenkunde unterrichtet. Viele hätten Molau "von seinem Aussehen" her als linksliberal eingeschätzt, gab sich die esoterikfreundliche "Taz" überrascht. Wer allerdings Informationen über Molau wünschte, die über die Farbe seiner Hose hinausgehen, konnte leicht in Erfahrung bringen, daß er schon früher für die rechtsextremen Zeitschriften "Nation und Europa", "Junge Freiheit" und "Criticon" arbeitete und seine Examensarbeit über die Heldentaten Alfred Rosenbergs geschrieben hat. Der Leiter der Braunschweiger Waldorfschule will nichts geahnt haben, obwohl doch Hausbesuche bei Lehrern und Schülern die Durchsetzung des richtigen Glaubens garantieren sollen.

Wenigstens der Geschäftsführer des Bundes der Freien Waldorfschulen, Walter Hiller, sollte Bescheid wissen: Er hat selbst schon für die "Junge Freiheit" geschrieben. Eine anthroposophische, also dem Waldorfguru Steiner wohlwollende Kommission, hat inzwischen immerhin festgestellt, daß mindestens 16 Aussagen aus Steiners Werk nach heutigem Recht als diskriminierend eingestuft werden müssen und 62 besser nicht unkommentiert bleiben sollten. Um das Buch eines Steiner-Schülers mit dem Titel Atlantis und das Rätsel der Eiszeit, in dem ein okkulter Ariermythos beschworen wird, kümmerte sich Ende 2000 das Bundesfamilienministerium per Verbotsantrag. In dem Standardwerk der Waldorflehrerausbildung heißt es: "Der Keim zum Genie ist der arischen Rasse bereits in ihre atlantische Wiege gelegt worden."

Es bleibt aber nicht bei grauer Theorie: Paul Spiegel, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, berichtete vor einigen Jahren über antisemitische Vorfälle an Waldorfschulen - doch Anthroposoph Otto Schily stellt sich, wenn es heikel wird, schützend vor seine Glaubensbrüder. Das Land Niedersachsen hält sich im Fall Molau nicht für zuständig, da Waldorfschulen als private Träger kaum in ihrer Personalpolitik kontrolliert werden können. Darüber hinaus erklärte ein Sprecher des Kultusministeriums, es sei kein Problem, wenn ein NPD-Mann an staatlichen Einrichtungen unterrichte, solange er nicht zu offensiv für seinen Verein werbe. Bei Antifaschisten im Schuldienst ist dies bekanntlich anders.

Molau hat sich in seinem Geschichtsunterricht sicherlich streng an Steiners didaktische Vorgaben gehalten. Dort heißt es z.B.: "Nachdem die Seele durch Geschichtsunterricht gefügig gemacht worden ist, Unterschiede der Volkscharaktere besprechen."

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Literatur Konkret Nr. 36