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36 Jahre Konkret CD

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Heft 03 2009

Ruben Eberlein

Unser liebster Feind

Die Verteidigung der Menschenrechte ist für den Westen selten so billig zu haben wie im Fall Simbabwe. Stein des Anstoßes: die von Präsident Mugabe durchgesetzte Landreform.

Das waren noch Zeiten, Anfang der achtziger Jahre: Robert Mugabe, erklärter Verfechter des Marxismus-Leninismus und Premierminister Simbabwes, trifft sich in Washington mit Ronald Reagan, der ihn einen "weisen" Anführer im südlichen Afrika nennt, zum freundschaftlichen Gespräch. Mugabe lobt die "fantastische Arbeit" der ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien bei der Integration der beiden Befreiungsarmeen und des rhodesischen Militärs. Mehr als anderthalb Jahrzehnte sollte diese Zuneigung anhalten. Noch 1994 verlieh der britische Regierungschef John Major dem Staatschef, der seit 1987 als Präsident fungierte und quasi einen Einparteienstaat geschaffen hatte, die Ritterwürde.

Derlei Sympathiebekundungen gehören seit mehr als zehn Jahren der Vergangenheit an. Auf Drängen des britischen Außenministers David Miliband wurde Mugabe die Ritterwürde durch die Königin Mitte 2008 entzogen. In der westlichen Öffentlichkeit überbietet man sich in Vergleichen zwischen Mugabe und den übelsten Gestalten der neueren Geschichte: Idi Amin oder Jean-Bédel Bokassa sind ebenso im Angebot wie natürlich Hitler, Mussolini oder Stalin. Sowohl USA als auch EU verschärften sukzessive die Sanktionen gegen die simbabwische Elite und deren Unterstützer in Wirtschaft, Militär und Medien. Auf einer jüngst aktualisierten Liste der EU finden sich mehr als 200 Personen und 40 Unternehmen. Ihnen werden die Einreise nach und Geschäfte in den Mitgliedstaaten untersagt, ihre Konten wurden eingefroren.

Mit den Konservativen - Thatcher, Major, Reagan - war aus Sicht der Zanu (Zimbabwe African National Union), die das Land im südlichen Afrika seit 1980 ununterbrochen regiert, eben ein wesentlich besseres Auskommen als mit den Sozis, die in Großbritannien 1997 die Regierungsgeschäfte übernahmen. Zwar floß nach dem Lancaster-House-Abkommen, welches das Ende der Siedlerherrschaft unter Ian Smith im damaligen Rhodesien (britische Kolonie bis 1980) besiegelte, weit weniger Geld aus Großbritannien in die Reform der kraß ungleichen Landverteilung zwischen den 4.000 Großgrundbesitzern und einer Million Kleinbauern, die sich auf den schlechtesten Böden drängten, sowie Landlosen als angeblich ursprünglich zugesagt. Doch erst eine sozialdemokratische Entwicklungshilfeministerin wie Clare Short hatte die Unverfrorenheit, dem damaligen Landwirtschaftsminister Simbabwes in Sachen Kolonialgeschichte eine Lektion zu erteilen. Sie akzeptiere nicht, schrieb Short 1997 an Kumbirai Kangai, daß ihr Staat eine spezielle Verantwortung habe, die Kosten für den Landankauf in Simbabwe zu tragen: "Wir sind eine neue Regierung mit verschiedenen Werdegängen ohne Verbindungen zu früheren kolonialen Interessen. Meine eigenen Wurzeln sind irisch, und wie Sie wissen, waren wir Kolonisierte und nicht Kolonialisten."

Von da an ging's bergab mit den Beziehungen Mugabes zum Westen. Innenpolitisch waren die ersten 15 Jahre geprägt durch das Arrangement mit den alten rhodesischen Industrie- und Agrarverbänden und die Einleitung einer Wirtschaftsliberalisierung in den neunziger Jahren. Nun, 1997, setzten die bisher vernachlässigten Veteranen des Befreiungskrieges Pensionszahlungen durch, und auch die Arbeiterbewegung hatte einige Mobilisierungserfolge gegen die Konsequenzen des Sozialabbaus zu verzeichnen. Die "Fast Track"-Landreform blieb eine der wenigen Möglichkeiten für die Zanu, die Legitimation zurückzugewinnen, die ihr mehr und mehr verlorengegangen war.

Sicherlich wäre die entschädigungslose Enteignung der weißen Großgrundbesitzer nach 2000, die von massiver Gewalt auch gegen die politische Opposition begleitet war, so nicht vonstatten gegangen, hätte sich die britische Regierung nicht jeglicher Verpflichtungen entledigt. Daß die Landverteilung - das zentrale Thema des Befreiungskampfes in den siebziger Jahren - ein massives soziales und politisches Problem darstellte, bezweifelt kein ernstzunehmender Beobachter. Über die Folgen der Enteignungen, der Verteilung des Landes an über 150.000 Haushalte und deren Anteil an der heutigen katastrophalen wirtschaftlichen Situation in Simbabwe wird derzeit intensiv debattiert.

Der Politikwissenschaftler Mahmood Mamdani, der spätestens seit seinem 1996 veröffentlichten Werk Citizen and Subject großen Einfluß auf afrikanische Intellektuelle hat, sorgte im Dezember 2008 mit einem in der "London Review of Books" veröffentlichten Beitrag für Diskussionen unter Wissenschaftlern und Aktivisten. "In sozialer und wirtschaftlicher, wenn auch nicht politischer Hinsicht", schreibt Mamdani dort mit Blick auf die Landreform, "war das eine demokratische Revolution." Die kritischen Anmerkungen zur Verfolgung von Oppositionellen, die er auch macht, gehen seinen Kollegen nicht weit genug. 33 von ihnen verfaßten einen gemeinsamen Brief, in dem sie dem Professor an der Columbia University vorwerfen, die Gewalt in Simbabwe zu beschönigen. Auch Brian Raftopoulos, der vor allem über die Gewerkschaften in Simbabwe arbeitet, meint im Gespräch mit KONKRET: "Ich denke, er hat in diesem Artikel vieles falsch verstanden. Das betrifft sowohl die Geschichte der Arbeiterbewegung als auch die autoritäre Natur des Regimes."

Hingegen teilt Sam Moyo, Direktor des African Institute for Agrarian Studies in Harare, Mamdanis Einschätzung zur Landreform. "Das Ergebnis der Umverteilung schafft einen inklusiveren und somit demokratischen Landbesitz, was einen größeren Grad an Gleichheit nach sich zieht. Sie bietet auch eine demokratischere politische Lösung der historischen Mißstände und begrenzt die ungleichen Machtverhältnisse, die auf Rassen- und Klassenprivilegien beruhen." Dennoch müssten, so Moyo gegenüber dieser Zeitschrift, die negativen Folgen der Gewalt, zu der es während der Landtransfers kam, zur Kenntnis genommen werden. Außerdem stehe eine "angemessene" Kompensation an die meisten früheren Landbesitzer noch aus.

Ebenso wie Moyo kommt Ian Scoones, Professor am Institute of Development Studies der Universität Sussex und Forscher im Projekt "Livelihoods after Land Reform" zu durchaus differenzierten Ergebnissen. Seine Forschungen in der Provinz Masvingo würden zeigen, daß die Landreform keineswegs generell ein Fehlschlag war. Trotz der Probleme wie Kapitalknappheit und dem Fehlen von Dünger oder Saatgut gebe es "universellen Beifall" für die Umverteilung. Auch könne trotz einiger politisch motivierter Zuteilungen keine Rede davon sein, daß vor allem die Elite profitiert hätte. Während die Wirtschaft als solche in Simbabwe in einer schwierigen Lage sei, habe sich die rurale Ökonomie in Masvingo schnell umgestellt. "Der radikale Wechsel in der Agrarstruktur hat die Wertketten, die vormals durch kommerzielle Großprojekte, Unternehmen im weißen Besitz und Regierungsfirmen dominiert waren, bis zur Unkenntlichkeit verändert", schreibt Scoones in einem Papier.

Nach Schätzung des World Food Programme (WFP) der UN könnte mehr als die Hälfte aller Simbabwer im ersten Quartal 2009 auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sein. Den Rückgang der Erträge führt das WFP auf eine Kombination aus einer schweren Dürre, fehlenden Inputs wie Dünger oder ertragreichem Saatgut, maroden Bewässerungssystemen und die staatlichen Preiskontrollen zurück. "Generell ist die Landreform nach wie vor populär, sogar unter denen, die während der letzten Wahlen gegen die Zanu stimmten. Der dringende Punkt für die Menschen ist hauptsächlich, Zugang zu Nahrung zu erschwinglichen Preisen zu bekommen, um die Wirtschaft und speziell die Farmwirtschaft in Gang zu bringen", sagt Moyo.

Die Abneigung Mugabes gegen die Sozialdemokraten des Westens hat neben deren schroffer Ablehnung der Landreform auch andere handfeste Gründe. Sowohl New Labour als auch die SPD über ihre Friedrich-Ebert-Stiftung engagierten sich seit Mitte der neunziger Jahre schwerpunktmäßig in der Gewerkschafts- und Menschenrechtsbewegung des Landes. Der Zimbabwe Congress of Trade Unions (ZCTU) und die National Constitutional Assembly (NCA), aus denen 1999 die Movement for Democratic Change (MDC) hervorging, erhielten wichtige finanzielle, logistische und ideologische Schützenhilfe aus diesem Lager.

"Die Sozialdemokraten nahmen in bezug auf Simbabwe eine stark ideologische Haltung ein", erklärt Mahmood Mamdani im Interview mit KONKRET. "Sie reagierten mit der enthusiastischen Beteiligung an den wirtschaftlichen Sanktionen einschließlich des Entzugs von Hilfe im Bildungs- und Gesundheitsbereich, die unerläßlich ist für benachteiligte Gruppen." Außerdem habe, so Mamdani weiter, eine Verlagerung von sozialen und wirtschaftlichen Programmen zu ausdrücklich politischer Unterstützung stattgefunden, die vor allem der Opposition zugute gekommen sei.

Menschenrechtspolitik ist derzeit kaum irgendwo so günstig zu betreiben wie in Simbabwe, wo es wirtschaftlich für den Westen nur wenig zu holen gibt. Mit dem korrupten Regime in Angola, wo sich deutsche Unternehmer mit Rückendeckung des Wirtschaftsministeriums derzeit verstärkt in Stellung bringen, um einen saftigen Anteil an der Ölrente zu kassieren, wird zum Beispiel wesentlich verständnisvoller umgegangen, wenn es denn überhaupt Erwähnung findet. Sudan, die beiden Kongo-Staaten, Äquatorial-Guinea oder Nigeria sind andere Beispiele, weitere ließen sich mühelos hinzufügen. Die internationale Kritik an der Führung in Simbabwe hob erst an, als die politische Gewalt der Zanu auch die weißen Farmer traf, in den achtziger Jahren interessierten sich dafür nur wenige.

"Gukurahundi" nannte sich die Militärkampagne, mit der die von den Shona dominierte Zanu zwischen 1983 und 1987 gegen einige hundert Dissidenten aus der konkurrierenden Befreiungsbewegung Zimbabwe African People's Union (Zapu) vorging. Das Apartheidsregime in Südafrika unterstützte die Aufständischen, um den Frontlinestaat zu destabilisieren. Der Einsatz der durch nordkoreanische Berater ausgebildeten 5. Brigade der Zanu-Truppen richtete sich aber auch gegen die Zapu allgemein und gegen die Minderheit der Ndebele in Matabeleland.

Einem Bericht der Catholic Commission for Justice and Peace aus dem Jahre 1997 zufolge kamen während der "Wirren" mindestens 3.000 Menschen ums Leben, der Zapu-Vorsitzende Joshua Nkomo schätzte die Zahl der Opfer gar auf 20.000. Auch heute zählt das Lied "Die Shona töteten unsere Väter" zu den beliebten Gesängen der Anhänger des Highlander-Fußballclubs aus Bulawayo, der größten Stadt in Matabeleland. Eine Aufarbeitung der damaligen Geschehnisse steht nach wie vor aus, einige der damals Verantwortlichen besetzen heute hohe Positionen im Militär.

Seit der Unabhängigkeit 1980 hat sich am anmaßenden Anspruch der Zanu, den Sieg im Befreiungskampf, der in den siebziger Jahren mindestens 30.000 Menschen das Leben gekostet hatte, exklusiv für sich zu reklamieren, nichts geändert. Simbabwes Bevölkerung findet sich nun, da Zanu und die MDC-Fraktionen unter dem mittlerweile zum Premierminister gekürten Morgan Tsvangirai und Arthur Mutambara eine gemeinsame Regierung bilden, wie Horace Campbell es ausdrückt, "between a political rock and an economic hard place". Hunderttausende haben das Land in den vergangenen Jahren in Richtung Großbritannien oder Südafrika verlassen. Einer Cholera-Epidemie sollen in den letzten Monaten mehr als 3.000 Menschen zum Opfer gefallen sein, Gesundheits- und Bildungssystem sind zusammengebrochen.

Zweifellos gibt es in der MDC eine Reihe von Leuten, die nur darauf warten, sich den internationalen Finanzorganisationen und Bergbauinvestoren, speziell aus Südafrika, an den Hals zu werfen. Die US-amerikanischen Berater von Cato- und International Republican Institute werden ihrerseits Sorge tragen, daß die progressiven Kräfte in der MDC nicht zuviel Einfluß auf dessen Agenda nehmen.

Für die Gewerkschaften und die Menschenrechtsgruppen in Simbabwe, die eine entscheidende Rolle beim Kampf gegen die repressive Zanu-Herrschaft gespielt haben, wäre es wohl an der Zeit, ihre enge Bindung an Tsvangirais MDC zu lösen. Gleiches gilt für das Verhältnis zwischen den Kleinbauern und der Zanu. Mit Spannung darf erwartet werden, wie ein Innenminister der MDC reagieren wird, wenn er künftig mit Hungerrevolten konfrontiert ist. Sicherlich gibt es für das spanische "Que se vayan todos" (Sie sollen alle abhauen), das in Argentinien während der Krise 2001/02 populär war, eine Entsprechung auf Shona und Ndebele. Sie auf Demotransparenten in Bulawayo, Harare oder Mutare zu lesen, gerichtet sowohl an die neoliberalen Modernisierer der MDC als auch an die autoritären Nationalisten der Zanu, wäre mal eine erfreuliche Nachricht aus Simbabwe.

Ruben Eberlein schrieb in KONKRET 2/09 über die Lage in Somalia

KONKRET Text 56


KONKRET Text 55


Literatur Konkret Nr. 36