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36 Jahre Konkret CD

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Heft 05 2008

Sezen Iskender/Philipp Kutter

PROPAGANDA PARADISE

Auf Youtube tummeln sich Nazis beinahe ungestört.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat wegen Beihilfe zur Volksverhetzung am 20. März eine einstweilige Verfügung gegen das Videoportal Youtube beantragt. Denn dort tummeln sich längst allerlei faschistische Gruppen. Bis vor kurzem etwa waren Klassiker der NS-Propaganda wie "Jud Süß" und "Hitlerjunge Quex" einsehbar, auch finden sich immer wieder NS-verherrlichende Beiträge und Videos rechtsradikaler Bands ("Zillertaler Türkenjäger", "Landser").

Nun ist der Youtube-Eigner Google ein kapitalistisches Unternehmen und hat als solches kein Interesse an einem schlechten Ruf. Da jedoch der Kostenfaktor eine wesentliche kapitalistische Größe ist, sollen die User, ähnlich wie bei Wikipedia, die Einhaltung gewisser Mindeststandards selber sicherstellen. Dies geschieht durchs "Flaggen". Dabei kennzeichnen die User Videos, die rassistischen Inhalt transportieren oder den Copyright-Bestimmungen nicht genügen. Treibt es ein User mit den geposteten Inhalten zu arg, wird sein Channel gesperrt. Soweit die Theorie. In der virtuellen Realität werden gebannte Videos mit einer abweichenden Titulierung flugs wieder hochgeladen; gesperrte User legen sich neue Profile mit altem Inhalt zu. All diese Möglichkeiten werden auch von den Internetnazis genutzt. So wurde der User NOBLOOD4PRIDE, beileibe kein radikaler Bürgerschreck, gesperrt, weil zahlreiche Internetfaschisten seine Videos negativ bewerteten, das heißt die Gesamtbeurteilung folgt eher quantitativen statt qualitativen Kriterien. Das führt zu allerlei elektronischen Grabenkämpfen zwischen Antifaschisten und Nazis.

Youtube kann allerdings auch anders, wie sich im Juli 2007 beobachten ließ, als "Report Mainz" über die Aktivitäten der Internetnazis berichtete. Kurz darauf wirkte die Plattform wie aufgeräumt, viele verbotene Videos waren verschwunden. Stephan J. Kramer, Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, wirft Google nun vor, Rassenhaß und Diskriminierung zu verbreiten. Trotz expliziter Hinweise würden nachweislich gegen geltendes Recht verstoßende Videos mit antisemitischen und rechtsextremen Inhalten erst mit starker Verzögerung entfernt. Kay Oberbeck, Google-Sprecher, erklärte auf Nachfrage von KONKRET, daß die sogenannte MD5-Hash-Technologie das erneute Hochladen von bereits entfernten Videos verhindern solle, jedoch nur ein erster Schritt sei. Zusätzlich solle das Meldeteam vergrößert werden; auch sei das Youtube-Meldesystem seit geraumer Zeit auf deutsch einsehbar. Er fügte hinzu, daß es eine Zusammenarbeit mit dem Zentralrat und der Website jugendschutz.net gebe. Ob das hilft?

Hoffnung gibt's da kaum: Gerade hat der User "Omega 1990Ger" den Clip "Negeraufmarsch in Forst (Brandenburg)" kommentiert: "SH! Macht euch raus aus Deutschland ihr Negerschweine!!!! Gruß 88 aus Sachsen".

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Literatur Konkret Nr. 36