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36 Jahre Konkret CD

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Heft 11 2003

Marc Schwietring

Preussische Sammelklagen

Deutsche Vertriebene fordern die "Rückgabe" ihres Vermögens

"Wir wollen Polen nicht vernichten, sondern dieses Problem gerecht lösen. Die Deutschen haben bereits Wiedergutmachung geleistet und eine Entschuldigung wegen des von ihnen begangenen Unrechts ausgesprochen. Die Vertriebenen erwarten dasselbe." - Rudi Pawelka, Vorsitzender der Landsmannschaft Schlesien, ist ein Mann starker Worte. Weshalb er selbst gegenüber der polnischen Zeitung "Gazeta Wyborcza" ohne Scheu fordert, daß es nun an den osteuropäischen Staaten wie Polen, Tschechien und Rußland sei, die offenen "Wunden" der Deutschen zu heilen und "Wiedergutmachung" zu leisten.

Doch in Polen reagiert man gerade dieser Tage sehr sensibel auf derartige Forderungen, denn Pawelka ist Mitbegründer und Vorsitzender des Aufsichtsrats der vor zwei Jahren gegründeten Gesellschaft "Preußische Treuhand GmbH & Co." (Prussian Claims Society), die sich für die "Rückgabe von Vermögen" deutscher Vertriebener und Flüchtlinge engagiert. Die GmbH verteilt Formulare, auf denen Angaben zum "Grundeigentum in Ostdeutschland" gemacht werden können. Ziel sei die Sammlung und "Rechtsverfolgung individueller Eigentumsansprüche" in den ehemaligen deutschen Ostgebieten, wobei Klagen als "letztes Mittel" gelten. "Musterprozesse" sollen in den jeweiligen Staaten geführt werden; falls dies nicht zu "politisch vertretbaren Lösungen" führe wolle man bis zum "Europäischen Gerichtshof" ziehen und Sammelklagen in den USA einreichen. Völlig unbekümmert erklärt die Treuhand, daß die "Jewish Claims Conference" in den USA ihr als Vorbild diene.

Während die BdV-Präsidentin Erika Steinbach behauptet, "das ist nicht der Weg, den wir gehen", und betont, es handele sich bei der Preußischen Treuhand um eine private Initiative, die "mit dem BdV nichts zu tun" habe, unterstützen hochrangige BdV-Funktionäre die Gesellschaft. BdV-Vizepräsident Hans-Günther Parplies ist Pawelkas Stellvertreter im Aufsichtsrat, das Sekretariat des Unternehmens hat seinen Sitz im NRW-Büro der Landsmannschaft Ostpreußen in Düsseldorf.

Die polnische Zeitung "Rzeczpospolita" sieht in den Drohungen der Treuhand nach den Planungen eines "Zentrum gegen Vertreibungen" einen weiteren Versuch, die deutsche Geschichte zu revidieren. Boguslaw Majewski, Sprecher des polnischen Außenministeriums, erklärte, er nehme "beunruhigende Signale" wahr, wonach Deutschland sich zunehmend als Opfer des Zweiten Weltkrieges verstehe. Polnisches Eigentumsrecht sei aber Folge der Kapitulation des Dritten Reiches und der Entscheidung der Alliierten. Vermögensklagen werden von Experten keine Chancen eingeräumt - zumindest vor polnischen Gerichten. Die Gesetze und Verordnungen über die "Übernahme deutscher Vermögen" nach dem Zweiten Weltkrieg besäßen noch immer Gültigkeit. Und auf mögliche Aktivitäten der Treuhand sei man vorbereitet. Marc Schwietring ist Koautor des Buches "Erinnern, verdrängen, vergessen" (Gießen 2003)

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Literatur Konkret Nr. 36