Michael Schilling

Neues Denken

Das Europäische Parlament verurteilt Kuba wegen der Haftbedingungen in der US-Marinebasis Guantanamo

Mit 376 gegen 281 Stimmen bei 26 Enthaltungen hat das Europäische Parlament Ende 2004 eine gegen Castros Kuba gerichtete Erklärung verabschiedet, die

"unter Hinweis auf die Tatsache, daß in der Marinebasis Guantanamo noch immer Hunderte von Häftlingen gefangen gehalten werden, was einen Verstoß gegen die elementarsten Grundsätze der Menschenrechte darstellt",

unter Hinweis also auf die von den USA in ihrer kubanischen Militärkolonie unter Verzicht auf rechtsstattliche Normen eingesperrten Taliban,

"die unverzügliche Freilassung aller im Land aus politischen oder Gesinnungsgründen inhaftierten Häftlinge [verlangt] und bekräftigt seine Verurteilung dieser Inhaftierungen, die die elementarsten Menschenrechte, insbesondere die Meinungsfreiheit und die Freiheit, politische Vereinigungen zu gründen, verletzen."

Die gnädige Vermutung, Abgeordnete Europas hätten, weil sie wahrlich Besseres zu tun haben (beispielsweise, so sie Angelika Beer heißen, ihr Zöpfchen zu flechten), nicht gelesen, was sie da beschließen sollten, geht fehl: Ein Antrag, den zitierten Passus ihrer Entschließung zu streichen, hatte Kenntnisnahme erzwungen. Die Parlamentarier lehnten ihn übrigens mit 392 zu 279 Stimmen ab - sechzehn jener Abgeordneten, die dem Antrag im Ganzen ihre Zustimmung verweigert hatten, wollten immerhin gerade diesen Teil - vielleicht aus sprachlicher Zuneigung zu den "inhaftierten Häftlingen" - unbedingt erhalten sehen.

Was lehrt uns der Vorgang? Er lehrt, daß die Menschenrechte beziehungsweise die elementarsten Menschenrechte oder auch die elementarsten Grundsätze der Menschenrechte ein europäisches Gesetz darstellen, vor dem alle politischen Gegner gleich sind oder gemacht werden können. Und er lehrt, daß die Europäer sich nicht einmal von ihrem Haß auf die kubanische Revolution, den sie mit den Amerikanern teilen, in ihrem Haß auf die Amerikaner beirren lassen.

Was der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba e.V., Regionalgruppe Essen, die den Vorgang publik gemacht hat, nicht nachgesagt werden kann. Die Freunde haben dem zweiten Teil des Beschlusses ihren schärfsten Protest bekundet, den ersten Teil aber mit einem "Wohl wahr" quittiert. Sie wollen die bessere Hälfte der besseren Hälfte sein.