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36 Jahre Konkret CD

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Heft 11 2009

Elke Wittich

LINKS & RIGHTS

Wie man virtuellen Lärm um nichts veranstaltet.

Zu den erstaunlichsten Phänomenen des Internets gehört, daß mit vergleichsweise wenig Beteiligten der Eindruck von Masse erzeugt werden kann. Das geht so: Man startet ein Forum zu irgendeinem, ruhig auch vollkommen abseitigen Thema, macht im Web ein bißchen Werbung für das neue Dingens, und schon hat man eine Menge - sagen wir: rund 30, 35 - Gleichgesinnte gesammelt, mit denen zusammen man dann eine Menge Lärm veranstaltet, also das Inter-Äquivalent zu Lärm, das darin besteht, aufgeregte Postings abzulassen, jedes auch nur leidlich passende Fitzelchen rauf- und runterzuverlinken, und, äußerst wichtig: jeden Onlineartikel zum Thema zu kommentieren. Nach einer Weile dreht sich die Welt, oder immerhin deren virtuelle Filiale, nur noch um dieses eine Thema, und man kann kaum noch vor die Tür des Forums gehen, ohne draußen auf die eigenen Links und Kommentare zu stoßen.

Vielleicht ist dieses selbstreferentielle Lärmmachen einer der Gründe, warum Onlinepetitionen boomen. Dem Bundestag Vorschläge für Gesetzesänderungen zu machen, ist nämlich seit Oktober 2008 auch via Internet möglich. Unter https://epetitionen.bundestag.de kann man Vorschläge einreichen, und dort kann man sich auch ansehen, was den Bundesbürger so bewegt - der gröbste Unsinn wird allerdings vorher aussortiert.

Oft kann man jedoch immer noch ahnen, wieviel Lärmmachen der Einreichung vorausging. Zum Beispiel im Fall "Preisanpassung für Energiesparlampen", formuliert im August 2009 mit folgender Begründung: "Die Kosten für Energiesparlampen sind unverhältnismäßig überteuert. Hinsichtlich der von den Herstellern vorgeschriebenen Nutzung, wie zum Beispiel diese Lampen lange eingeschaltet lassen, generell wenig zu schalten, ist absurd (sic!). Die von mir bisher genutzten Energiesparlampen unterschiedlichster Hersteller sind alle weit vor der zugesicherten Betriebszeit ausgefallen (von Totalausfall, Flackern bis Lichtminderung)."

228 Mitunterzeichner erreichte das Anliegen bisher, wohl auch, weil die Welt sich anscheinend doch nicht um die Energiesparlampe dreht. Besonders dürfte schmerzen, daß diese Petition damit weit schlechter dasteht als ihr Kollege "Gerichte - Akteneinsicht", die es auf 474 Unterstützer brachte, die wollen, daß "alle Bürger Deutschlands Akteneinsicht zu den ihnen (sic!) betreffenden Verfahren an allen deutschen Gerichten bekommen können, ohne dazu einen Anwalt heranziehen zu müssen." Was der Petitionsersteller im Überschwang vergessen hat: Den geforderten Passus gibt es bereits, wie in Paragraph 147 der deutschen Strafprozeßordnung zu lesen ist. Aber Fakten nachzuprüfen ist nun einmal viel langweiliger, als in Foren zu lamentieren und Petitionen zu verfassen.

- Elke Wittich -

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Literatur Konkret Nr. 36