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36 Jahre Konkret CD

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Heft 06 2009

Elke Wittich

LINKS & RIGHTS

Ein Nazi in der Piratenbucht.

Nein, es ist nicht so, daß die Jungs von The Pirate Bay (TPB) nicht zählen können - obwohl man den Verdacht haben könnte, wenn man das offizielle Solishirt anschaut, das die Tauschbörsenfreibeuter zum Beginn ihres Prozesses herausgaben. Neben dem Text "The Pirate Bay versus Time Warner, ... Fox, Sony ..." zeigt es im Comicstil drei TPB-Eigentümer. Dabei hatte die schwedische Staatsanwaltschaft alle vier Besitzer von TPB wegen Copyrightverstößen angeklagt. Nun, das Fehlen des vierten Mannes war kein Versehen, sondern Strategie, schließlich stilisieren sich die Besitzer des Torrent-Trackers nun schon seit Jahren als Freiheitsvorkämpfer und werden weltweit entsprechend stark vom linksalternativen Milieu unterstützt. Daß Besitzer Nr. 4 allerdings ein Neonazi ist, war ein von den Piraten lange sorgsam gehütetes Geheimnis - bis er von der schwedischen Staatsanwaltschaft eindeutig als TPB-Mitbesitzer identifiziert und ebenfalls angeklagt wurde.

Carl Lundström, so heißt der Mann, ist in Schweden kein Unbekannter. Nicht nur, weil er als Erbe des Wasa-Konzerns zur Wirtschaftselite des Landes zu rechnen ist. 1986 stand der ausgewiesene Rechtsradikale vor Gericht, nachdem er gemeinsam mit Skinheads in der Stockholmer Innenstadt ausländische Straßenmusiker angegriffen und einen Chilenen verletzt hatte. Das Opfer identifizierte ihn als den Wortführer der Gruppe. Lundström war zu diesem Zeitpunkt Mitglied Nummer A 1465 der militant-rassistischen Initiative "Bevara Sverige Svenskt" (grob übersetzt: Schweden muß schwedisch bleiben).

Später engagierte sich der Knäckebroterbe bei verschiedenen rechten Parteien und Gruppierungen, finanzierte unter anderem die schwedischen Nationaldemokraten und investierte gleichzeitig in IT-Unternehmen seines Landes, eben auch in Pirate Bay. Was die anderen Inhaber jedoch immer leugneten: Jahrelang behaupteten sie, Lundström habe am Anfang nur mit Bandbreite und Logistik ausgeholfen, schließlich habe einer der Piraten damals bei einer der Lundström-Firmen gearbeitet.

Daß der rechtsradikale Multimillionär in Wirklichkeit einer der Besitzer des Piratennestes ist, spielte auch in der Berichterstattung über den Prozeß keinerlei Rolle. Dabei hätte man nicht lange in den Archiven suchen müssen, um aktuelle Beweise für die Verstrickungen Lundströms ins Nazimilieu zu finden: Im Februar 2008 war sein engster Mitarbeiter verhaftet worden. Der 30jährige hatte gemeinsam mit anderen bewaffneten Mitgliedern der Naziorganisation Nordiska Förbundet (NF) das Haus eines Mannes gestürmt, der sich von NF losgesagt hatte. Lundström erklärte damals, er habe gewußt, wo sein Mitarbeiter aktiv sei, aber es habe ihn nicht interessiert.

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Literatur Konkret Nr. 36