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36 Jahre Konkret CD

36 Jahre Konkret CD


Heft 02 2009

Elke Wittich

LINKS & RIGHTS

Blogs in Buchform sind auch nicht besser als im Internet.

Lästig werden Medienschaffende und Prominente vor allem dann, wenn sie irgendwas mit Technik für sich entdeckt haben. Denn bedauerlicherweise kann sich die selbstverliebte Spezies nicht vorstellen, daß das von ihnen gerade Entdeckte vom Rest der Welt bereits seit längerer Zeit ganz selbstverständlich genutzt wird, und macht sich deswegen voller Elan daran, das hippe neue Dingens zu promoten. Ganz schlimm war es beispielsweise, als Margarethe Schreinemakers das Internet-TV für sich entdeckte und man deswegen tagelang überall ihren Grundlagenvorträgen ausgesetzt war über a) das Fernsehen im WWW, b) die daraus resultierenden unglaublichen Möglichkeiten und c) wußten Sie eigentlich, daß es etwas namens Youtube gibt?

Als die deutschsprachige Ausgabe von "Vanity Fair" 2007 an den Start ging, hatten die Macher auch gerade ein hippes Tech-Dingens für sich entdeckt: Man würde ein Blog haben. Und zwar verfaßt von keinem Geringeren als dem Schriftsteller, der als allererster ein Internettagebuch geführt hatte, lange bevor so was überhaupt erfunden war - Rainald Goetz. Daß Goetz bloß der erste deutschsprachige Promi gewesen war, der das Web für tägliche Bulletins genutzt hatte, wurde in den meisten Meldungen großzügig übersehen, denn wow!, ein Blog!, huiuiui! Am Ende kam es so, wie es kommen mußte: "Vanity Fair" wurde wegen erwiesener Doofheit eingestellt, huch, nein, das gibt's ja doch noch - und aus Goetzens Blog wurde ein (Suhrkamp-)Buch.

"Klage" besteht, wie andere Webtagebücher auch, aus mehr oder weniger detaillierten Schilderungen des Tagesablaufs, die mit Kommentaren zu aktuellen Problemen angereichert und dann in die Welt hinausgeblasen werden. Schön ist das nicht, weswegen die meisten Blogs nach ein, zwei Monaten wieder aufgegeben werden.

Goetz hielt dagegen durch, was vielleicht nicht so verwunderlich war, denn zum einen wurde er fürs Bloggen bezahlt, zum anderen fielen ihm immer genug lange Sätze ein, um das Tagebuch zu füllen: "Daß die Ideen stimmen, wird nicht gefordert, auch nicht, daß sie Ideen SIND, wohl aber, daß man sich darum BEMÜHT, daß Ideen entstehen, daß das Gedachte danach sich sehnt, nicht einfach daher- oder nachgeplappertes Zeug zu sein, sondern Idee zumindestens zu werden. Gedanke." So beginnt beispielsweise der Eintrag am 10. Oktober 2007. Bei dessen Lektüre man außerdem erfährt, daß der Schriftsteller- und Bloggerkollege Joachim Lottmann abgenommen, pardon, "sein Aussehen noch einmal ins Schlankere verbessert hat" und daß Literatur "GEMEINER werden" muß. "Oder eben GÜTIGER."

Und so geht das in einem fort. Auch Goetzens Projekt hätte man also "ins Schlankere verbessern" können. Noch besser wäre allerdings gewesen, es ganz verschwinden zu lassen.

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Literatur Konkret Nr. 36