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Philipp Kutter
LINKS & RIGHTS
Wie Wikipedia zur Werbeplattform von Unternehmen wird
Die Kehrseite der Medaille bei einer freiwilligen Selbstkontrolle, wie sie im Interet Wikipedia benutzt, ist, daß Unternehmen, Politiker und andere Personen Tatsachen und Vorgänge vielfältig verfälschen können, ohne daß dies sofort bemerkt wird. Blöd nur, wenn die Technik zurückschlägt: Anhand eines eigens für Wikipedia entworfenen Scanners ("Virgil Griffith"), mit dessen Hilfe sich die Besitzer der IP-Adressen ermitteln lassen, konnte z.B. der Blogger Malte Landwehr (www.lorm.de) feststellen, daß Firmen in den vergangen Jahren immer wieder versucht haben, unschöne Wahrheiten über ihre Unternehmungen zu vertuschen.
Die Lufthansa etwa möchte über die Folgen von Fluglärm ebenso wenig wissen wie über datenschutzrechtliche Bedenken bezüglich des vom Konzern eingesetzten Paybacksystems, von dem man behauptet, es würde funktionieren, "ohne daß Persönlichkeitsrechte der Einzelkunden beeinträchtigt werden". MAN möchte nicht an die Versorgung der Wehrmacht mit Panzern erinnert werden. Von Rechnern des Bertelsmann-Konzerns wurden ebenfalls Mitteilungen über die Rolle des Verlags in der NS-Zeit gelöscht. Daimler befand, daß die Nennung des Konzernnamens im Zusammenhang mit dem Konzentrationslager Sachsenhausen und den für den Konzern Zwangsarbeitenden schlecht für das Geschäft sein könnte.
Der bekannte "Gammelfleischskandal", der das Umetikettieren verdorbenen Hackfleisches zutage förderte, war nach Ansicht der Supermarktkette "Real" nicht förderlich für das Ansehen des Unternehmens. Kurzerhand wurde der betreffende Absatz gelöscht, von Rechnern aus, die dem Konzern zugeordnet werden können. Mitunter werden von den Rechnern der Unternehmen auch ungewünschte Änderungen vorgenommen, so geschehen bei der Henkel KG: Firmengründer war zwischenzeitlich nicht mehr Fritz Henkel, sondern ein gewisser Dirk M. aus D., und er soll statt Waschmittel "Wurstwasser" erfunden haben.
Marketingtechnische Verbesserungen gab es en gros: Einträge über VW, Infineon, Bayer, Hypovereinsbank, Siemens oder BASF wurden zwischenzeitlich mit den jeweiligen Rechnern der firmeneigenen Netzwerke zu Werbeplattformen umgemodelt.
Aus dem Firmennetzwerk von BASF stammte auch folgende "Änderung": Aus dem sich auf die IG Farben (deren einer Bestandteil BASF war) beziehenden Satz "Im Zeichen von NS-Autarkiepolitik und Rüstungswirtschaft profitierte die IG Farben von Mengen- und Preisgarantien, aber auch von den durch die Regierung bereitgestellten Zwangsarbeitern" wurde der "aber"-Halbsatz gestrichen. Weil die von der IG Farben ausgebeuteten Zwangsarbeiter zum Rabatt gehörten oder weil sie einfach nicht erwähnungswert sind?
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KONKRET Text 56
KONKRET Text 55
Literatur Konkret Nr. 36
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