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36 Jahre Konkret CD

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Heft 03 2009

Svenna Triebler

KRISE ALS CHANCE

Wie Island die Revolution knapp verpaßte.

Manchmal benimmt sich die Welt geradezu vulgärmarxistisch. Stichwort Verelendungstheorie: Wenn es den Menschen dreckig geht, werden sie widerspenstig, und zack! ist die Revolution da. Den Isländern reichte der Verlust ihrer Spargroschen und der drohende Staatsbankrott. Da die Banken als Hauptschuldige sich bereits selbst abgeschafft hatten, richtete sich der Zorn der Inselbewohner gegen ihre auch nicht ganz unbeteiligte Regierung.

Wäre es dem Miniaturstaat mit seinen verlockenden Anlageprodukten wenigstens gelungen, auch das mächtige Großbritannien mit in den Abgrund zu reißen (Nationalstolz, auch negativer, ist ja bekanntlich ein unübertrefflicher gesellschaftlicher Kitt), wäre das in einem westeuropäischen - noch dazu: skandinavischen! - Land eigentlich Undenkbare vielleicht noch abzuwenden gewesen. Doch das britische Finanzwesen überlebte (jedenfalls bis Redaktionsschluß), und die isländischen Staatsinsassen machten so lange Rabatz, bis Ende Januar gelang, was viele Griechen neidisch gen Norden blicken ließ, nämlich der Sturz der Regierung. Diese soll sich Gerüchten zufolge auf die Cayman-Inseln abgesetzt haben, wo noch niemand Vorurteile gegen innovative Finanzmodelle hegt und das Wetter ja auch viel besser ist.

Eine Revolution war das nun leider noch nicht. Anstatt sich mit den Elfen zu verbünden, all die Geysire, Ponyherden, Vulkane und Fischereibetriebe zu kollektivieren und fortan auf die Logik der Kapitalakkumulation zu pfeifen, wählen die Isländer Ende April eine neue Regierung.

Nun ist man an der Nordspitze des mittelatlantischen Rückens zwar seismologisch abgehärtet und an plötzlich klaffende Risse und Löcher gewöhnt; dennoch sollten die voraussichtlichen Wahlsieger der linken Parteien schon einmal Volkshochschulkurse in Konkursverwaltung absolvieren beziehungsweise sich überlegen, wie wieder Geld in die Kasse kommt. Beispielsweise könnte man die Heulboje Björk für eine Spendengala engagieren und den Internationalen Währungsfonds um Abwrackprämien für schmelzende Gletscher anschnorren. Oder doch besser Spendengalas für schmelzende Gletscher veranstalten und eine Abwrackprämie für Björk kassieren?

Vielleicht aber sollte man sich konsequenterweise - bevor man endgültig Insolvenz anmelden muß - auch einfach nach einem Käufer für den Staat mit der eingebauten Fußbodenheizung umsehen. Es muß ja nicht die Finanzbranche sein, der momentan ohnehin nicht nach Investieren zumute sein dürfte; auch die sogenannte Realwirtschaft käme in Frage. Ein russischer Energiekonzern soll bereits Interesse bekundet haben.

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Literatur Konkret Nr. 36