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36 Jahre Konkret CD

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Heft 03 2011

Jörg Kronauer

Klägliches Zeugnis

Mit Abscheu und Empörung haben europaweit Politiker und Journalisten auf das neue ungarische Mediengesetz reagiert. Um davon abzulenken, daß es in ihren Ländern um die Pressefreiheit auch nicht viel besser bestellt ist?

Ein Freiheitskämpfer ist Viktor Orbán, sagt der Herr im braunen Jackett. Klaus-Heiner Lehne, CDU-Abgeordneter im Europaparlament und dort Vorsitzender des Rechtsausschusses, hat an Orbáns neuem Mediengesetz nichts auszusetzen. "Auch wenn ein paar Details nicht in Ordnung sein sollten", äußert Lehne im Gespräch mit dem Webportal "Eur-Activ.de", halte er es für "vollkommen daneben", dem Ministerpräsidenten Ungarns "zu unterstellen, er wolle die Meinungsfreiheit beschneiden". Aber werden die ungarischen Medien durch das neue Gesetz nicht strikter Behördenkontrolle unterstellt? Nun, sagt der CDU-Mann, verglichen etwa mit dem Mediengesetz für den privaten Rundfunk in Nordrhein-Westfalen seien die Formulierungen im ungarischen Gesetz "geradezu liberal": Die Landesanstalt für Medien in NRW könne nicht nur Strafen, sondern "sogar ein Verbot von Rundfunksendungen verfügen, falls gegen den Grundsatz der Ausgewogenheit verstoßen wird". Darüber hinaus liege die Rechtsaufsicht direkt beim NRW-Ministerpräsidenten, der persönlich "Weisungen an die Landesanstalt geben kann". Was ist also, fragt Lehne, an Orbáns neuem Mediengesetz so skandalös?

Das neue ungarische Mediengesetz hat ein gewaltiges Echo ausgelöst, als es zum 1. Januar 2011 in Kraft trat. Es überträgt die Medienkontrolle der Nationalen Medien- und Infokommunikationsbehörde (Nemzeti Média- és Hírközlé-si Hatóság, NMHH), die nun nicht mehr nur für die öffentlich-rechtlichen, sondern auch für die privaten Medien zuständig ist. Sie soll diese unter anderem auf "politische Ausgewogenheit" überprüfen und darf bei Verstößen hohe Bußgelder verhängen - gegen Radio- und Fernsehsender, gegen Zeitungen und Zeitschriften, auch gegen Internetportale. Darüber, was "ausgewogen" ist, entscheidet letztlich die Leitung der Behörde. NMHH-Präsidentin Annamária Szalai ist von der mit Zweidrittelmehrheit herrschenden Fidesz-Partei gleich auf neun Jahre eingesetzt worden. Mit dem neuen Gesetz könne die NMHH nun "kritische Medien und die öffentliche Debatte im Land zum Schweigen bringen", hatte die OSZE-Medienbeauftragte Dunja Mijatoviç bereits letztes Jahr gewarnt. Es entstehe damit eine Situation "wie sonst nur unter autoritären Regimen". Wie soll man angesichts solch drastischer Äußerungen Lehnes Einschätzung verstehen, das ungarische Mediengesetz falle keineswegs aus dem europäischen Rahmen?

In der Tat: Organisationen wie die Association of European Journalists (AEJ) oder Reporter ohne Grenzen warnen schon seit Jahren, Medien und Medienschaffende gerieten in der EU immer stärker unter Druck. Sie würden genötigt, "die Interessen politischer Kräfte oder kommerzielle Interessen zu bedienen", schrieb William Horsley, der Beauftragte der AEJ für die Medienfreiheit, in einem Survey im November 2007. Dies gelte in besonderem Maße für Fernseh- und Radiosender und wiege umso schwerer, weil es in Europa kaum ein Bewußtsein für die Gefährdung der Meinungs- und Pressefreiheit gebe. Zwar seien die Staaten Osteuropas stärker von dem Trend betroffen, doch mache sich die gleiche Entwicklung inzwischen auch im Westen bemerkbar. Wie zur Bestätigung hat im Oktober 2010 Reporter ohne Grenzen seine jüngste "Rangliste der Pressefreiheit" publiziert. Darin sind nicht nur Griechenland und Bulgarien auf den gemeinsamen Rang 70 von 178 Staaten gesunken. Spanien ist auf Rang 39 gefallen, Frankreich auf Rang 44, Italien auf Rang 49. Die Bundesrepublik liegt immerhin noch auf Rang 17, auch wenn das für ein Land, das im Namen von Demokratie und Menschenrechten mit Bomben wirft, ein klägliches Zeugnis ist.

Was besagen die miesen Ranglistenplätze? Auch in der EU werden wieder Journalisten mit dem Tode bedroht oder wirklich ermordet. Roberto Saviano etwa, ein italienischer Autor, der in seinem bekannten Werk Gomorrha über die Mafia berichtet, steht unter Polizeischutz und muß beständig seinen Aufenthaltsort wechseln. Der Journalist Socratis Giolias wurde am 19. Juli 2010 vor seinem Haus in Athen erschossen. In Lettland ist Grigorijs Nemcovs, Herausgeber einer Zeitung und Eigentümer einer Fernsehstation, am 16. April letzten Jahres getötet worden. In Dänemark und Schweden wurden Karikaturisten Opfer islamistischer Mordversuche. In den Protektoraten der EU ist die Lage nicht besser: Glaubhafte Todesdrohungen registrierte Reporter ohne Grenzen vor allem in Bosnien-Herzegowina und im Kosovo.

Schwer wiegen zunehmende Attacken der Repressionsapparate. In Frankreich protestierte Reporter ohne Grenzen schon vor zehn Jahren dagegen, daß Journalisten festgenommen und verhört wurden - mit dem Ziel, ihre Informationsquellen herauszufinden. Schlagzeilen machte im Jahr 2008 der Fall des ehemaligen Chefredakteurs der linksliberalen Tageszeitung "Libération". Vittorio de Filippis war presserechtlich verantwortlich für einen Leserbrief, durch den sich ein Geschäftsmann verleumdet fühlte. Er wurde deshalb von der Polizei zu Hause abgeholt, einer Leibesvisitation unterzogen und auf der Wache verhört. Ein Einzelfall? Beileibe nicht. Frankreich stehe in Sachen polizeiliche Repression und Strafverfahren gegen Journalisten in Europa an der Spitze, hielt Reporter ohne Grenzen damals fest. Letztes Jahr wurde ein Journalist des Internetportals Rue 89 angeklagt, weil er ein für Präsident Sarkozy peinliches Filmchen im Netz publiziert hatte - Strafrahmen der Vorwürfe: bis zu fünf Jahre Haft und eine Geldbuße bis zu 375.000 Euro. Zeitweise wurde Sarkozy gar nachgesagt, er setze den Geheimdienst ein, um die Quelle für eine belanglose Nachricht über sein Privatleben zu identifizieren.

Apropos Geheimdienst: Auch in der Bundesrepublik hat sich bekanntlich die Auslandsspionage über Jahre an Journalisten herangemacht. 2005 kam heraus, daß der Bundesnachrichtendienst nicht nur das Altpapier des Geheimdienstexperten Erich Schmidt-Eenboom gezockt und durchsucht hatte; BND-Spitzel hatten zeitweise sogar eine Überwachungskamera installiert, um Schmidt-Eenbooms Kontakte zu Medienleuten zu protokollieren. Außerdem wurde eine ganze Reihe weiterer Journalisten observiert; der BND setzte mehrere Schreiberlinge, unter anderem vom "Focus", gezielt als Spitzel in der Medienszene ein. Und ganz ähnlich wie in Frankreich gingen Justiz und Polizei immer wieder gegen die Presse vor. Schlagzeilen machten 2005 die Hausdurchsuchungen bei dem Journalisten Bruno Schirra und in der Redaktion des Monatsblatts "Cicero", das einen Beitrag von Schirra über den irakischen Terroristen Abu Musab al Zarqawi veröffentlicht hatte. Auch das war kein Einzelfall. Am 2. August 2007 wurden Ermittlungsverfahren gegen insgesamt 17 Journalisten eingeleitet, die aus Akten eines Bundestags-Untersuchungsausschusses zitiert hatten. Ziel war es in diesen Fällen regelmäßig, die Informationsquellen herauszufinden. Das aber wiegt schwer: Wenn die Quellen nicht mehr geschützt werden können, wird es in Zukunft noch weniger Informanten geben, was das Establishment vor lästiger Medienrecherche schützt. Nach Beginn der Repressionsmaßnahmen stürzte Deutschland denn auch in der Weltrangliste von Reporter ohne Grenzen für ein Jahr auf Platz 23 ab.

Die zunehmenden Angriffe auf Medienschaffende und die Pressefreiheit zeigen zweierlei. Zum einen schlagen sich die kriegsbedingten äußeren Spannungen auch in innenpolitischer Repression nieder; zumindest in der Bundesrepublik standen zahlreiche Fälle staatlichen Vorgehens gegen die Medien in direktem Zusammenhang mit dem "Anti-Terror-Krieg" und dem Krieg in Afghanistan. Zum anderen scheinen sich unabhängig davon deutlich autoritäre Eingriffe zu mehren, die unter dem Vorwand, die Persönlichkeitsrechte schützen zu wollen, die Pressefreiheit auch im Fall rein innenpolitischen Streits erheblich einschränken. Das vielleicht eindrücklichste Beispiel der letzten Jahre ist ein Prozeß aus dem "Sachsensumpf"-Skandal.

Was man über den Prozeß öffentlich äußern darf, ist nicht wirklich klar. Verurteilt wurden zwei Journalisten, die auf "Zeit online" eine Frage gestellt hatten, die hier zu wiederholen nicht angebracht ist - die beiden Journalisten waren ihretwegen von einer ostdeutschen Staatsanwaltschaft angeklagt und im August 2010 zur Zahlung von je 2.500 Euro verdonnert worden. Immerhin kamen sie ohne die von der Nebenklage geforderte Haftstrafe davon. Der Sache nach ging es um eine mögliche Verwicklung hochrangiger ostdeutscher Justizbeamter in ein undurchsichtiges Geflecht von Bandenkriminalität und Kinderprostitution, das der sächsische Inlandsgeheimdienst aufgedeckt haben wollte. Präzisere Aussagen über die Vorwürfe können teuer werden; ungestraft sagen darf man möglicherweise, daß die ostdeutsche Staatsanwaltschaft in der einen oder anderen Form betroffen war. Genau dieser Staatsanwaltschaft hatten die zwei Journalisten vorgeworfen, nicht mit der gebotenen Unvoreingenommenheit ermittelt zu haben - und dies war der Anlaß, weshalb sie von ihr verklagt wurden. Die beiden sind mittlerweile in Revision gegangen. Bislang noch nicht mit Strafe bewehrt ist die Aussage, die ostdeutsche Justiz habe der Pressefreiheit in der Bundesrepublik mit dem Prozeß einen schweren Schlag versetzt. Reporter ohne Grenzen hielt nach dem Urteil fest, "in vielen Ländern der Welt" werde die Pressefreiheit mit Verleumdungsverfahren gegen Journalisten unterdrückt: "Der Dresdner Prozeß zeigt das gleiche Muster."

Staatlich-justizielle Attacken gegen Medienschaffende sind die eine Seite des Problems; manche EU-Staaten haben sie inzwischen in Normen gegossen. Dazu gehört nicht nur Ungarn mit seinem neuen Mediengesetz. Irland hat Anfang 2010 Blasphemie verboten, was Äußerungen über religiöse Fragen unter Umständen teuer macht: Bis zu 25.000 Euro muß berappen, wer gegen die Anti-Blasphemie-Vorschriften verstößt. Höchst tolerant ist das irische Parlament dabei vorgegangen: Es ist vollkommen egal, welchen Gott man beleidigt. Das Parlament Estlands hat im November 2010 ein Gesetz verabschiedet, das wahrscheinlich viel weitreichendere Folgen hat. Es hebelt vor allem den Quellenschutz aus: Wer brisante Informationen nicht herausrückt, die für die staatlichen Repressionsorgane von Nutzen sein könnten, ist zukünftig von einer empfindlichen Strafe bedroht. Neben solchen Mißständen besteht jedoch die zweite Seite des Problems fort: die Tatsache, daß sich in Europa riesige Medienkonzerne den Markt aufgeteilt haben und ihn nicht nur mit Trivialitäten fluten, in denen jede seriöse Berichterstattung unterzugehen droht, sondern selbstverständlich auch den gewünschten inhaltlichen Rahmen abstecken.

Das Paradebeispiel schlechthin für skandalöse Besitzverhältnisse im Medienbereich ist natürlich Italien. Silvio Berlusconi, der als Ministerpräsident bei der öffentlich-rechtlichen Radiotelevisione Italia (RAI) entscheidenden Einfluß ausübt, kontrolliert den Konzern Mediaset, den größten privaten Fernsehsender des Landes. Mediaset und RAI beherrschen zusammen rund 90 Prozent des italienischen Fernsehmarktes, was um so größere Bedeutung besitzt, als die klare Mehrheit der italienischen Bevölkerung TV-Sendungen weitaus stärker beachtet als Printmedien. Bereits vor acht Jahren nannte der OSZE-Medienbeauftragte diesen Zustand diplomatisch verklausuliert eine "Herausforderung". Und Berlusconi ist noch längst nicht am Ziel - er expandiert. Mediaset hat in Spanien den Sender Telecinco unter Kontrolle, der sich jetzt mit seinem Konkurrenten Cuatro zusammengeschlossen hat und damit laut Schätzung von Experten auf einen Anteil von mehr als einem Viertel im gesamten frei zugänglichen Fernsehen Spaniens kommt.

Was gerne übersehen wird: Berlusconi ist zwar ein besonderer, keineswegs aber der einzige europäische Medienmogul. Beispiel Frankreich: Die Rüstungskonzerne Dassault (Produzent des Kampffliegers Mirage) und Lagardère (EADS-Anteilseigner) haben großen Einfluß auf dem Medienmarkt; Lagardère kontrolliert unter anderem zahlreiche Zeitschriften, Dassault die bekannte Tageszeitung "Le Figaro". Der Publizist André Schiffrin schätzte 2008, daß gut zwei Drittel der Presse- und Buchpublikationen in Frankreich aus den Händen von "Gruppen" kämen, "die im Grunde genommen Waffenproduzenten sind". Weil diese und andere Großkonzerne, die sich in der einen oder anderen Form Medien, Verlage und Fernsehsender leisten, Staatspräsident Sarkozy nahestehen, sprachen Kritiker im Ausland zuletzt offen von einer "Berlusconisierung" Frankreichs. Man wundert sich fast schon darüber, daß die französischen Repressionsapparate überhaupt noch Bedarf sehen, so hart gegen Journalisten einzuschreiten.

Im Vergleich zu Frankreich scheint die Lage in Deutschland noch richtig zivil - immerhin halten sich Rheinmetall und ThyssenKrupp keine eigene Presse. Auch hierzulande aber konzentriert sich die Medienmacht immer stärker in wenigen einflußreichen Konzernen. Springer ("Bild", "Welt" etc.) wird laut einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts womöglich doch noch ins TV-Geschäft einsteigen dürfen; Bertelsmann (RTL und vieles andere) ist dort längst präsent. Der größte Medienkonzern Europas, mit dessen Umsatz Berlusconis Mediaset bei weitem nicht konkurrieren kann, wird von der Bertelsmann-Stiftung kontrolliert. Diese wiederum gilt als mit Abstand einflußreichster privater Polit-Thinktank der Bundesrepublik; ihr wird erheblicher Einfluß beispielsweise auf die Umgestaltung der deutschen Hochschullandschaft und auf die Arbeit an staatlichen Verarmungsprogrammen (Hartz IV) zugeschrieben. Und die Konzentration schreitet weiter voran; kein Wunder, daß Wissenschaftler wie der Dortmunder Medienexperte Horst Röper schon seit Jahren vor dem "Untergang jeglicher Medienvielfalt" warnen.

Und die Öffentlich-Rechtlichen? Daß in den Rundfunkräten, von denen sie kontrolliert werden, das politische Establishment aus Parteien und Verbänden das Sagen hat, ist wohlbekannt. Auch das Prinzip der "Ausgewogenheit", die die Sendungen aufweisen müssen, wird seit je angewandt, um unerwünschte Inhalte aus den öffentlich-rechtlichen Programmen herauszuhalten. Der unmittelbare Zugriff der Politik auf die Sender nimmt in jüngster Zeit noch zu: Als die Unionsparteien es 2009 durchsetzten, daß der Vertrag von ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender nicht verlängert wurde, protestierten selbst konservative Medien, dies sei ein weitreichender Vorstoß in Richtung auf eine noch stärkere Abhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Sender vom politischen Establishment. Dabei hatte Brender ebendieses durchaus würdig vertreten, zum Beispiel im Streit mit dem Journalisten Ulrich Tilgner, der lange für das ZDF aus dem Ausland berichtet hat. Tilgner stellte 2008 die Arbeit für das ZDF ein. Er gab an, die zunehmenden, oft völlig haltlosen politisch motivierten Eingriffe von Redakteuren in seine Sendebeiträge nicht länger hinnehmen zu wollen. Einmal etwa sei er gedrängt worden zu behaupten, neben ihm stehe, während er live berichtete, ein Zensor, obwohl dies nicht der Fall gewesen sei. "Zwischen Medien und Politik entwickelt sich ein Verhältnis, mit dem die Berichterstattung plan- und berechenbar wird", schrieb Tilgner: "Im Kontext von Wirtschaftsjournalismus wird dies als Sponsoring und in der Politik als Hofberichterstattung bezeichnet."

In Ungarn war das bislang auch nicht anders. "Die freien und unabhängigen Medien sind den Angriffen der Politik ausgeliefert, seit es die Dritte Ungarische Republik gibt", resümierte Anfang Februar die Medienexpertin Mária Vásárhelyi. Das neue Fidesz-Mediengesetz habe sozusagen "einen zwanzig Jahre dauernden Krieg beendet", der "mit der totalen Niederlage der Pressefreiheit" abgeschlossen worden sei. Gewonnen haben - und das unterscheidet Ungarn noch von der übrigen EU - aggressiv völkische Kräfte. Die völkisch-rassistische Hetze habe in den ungarischen Medien bereits seit 1989, "besonders intensiv seit 2002" zugenommen - "parallel zur allmählichen Radikalisierung der ungarischen Gesellschaft", berichtet die Kulturwissenschaftlerin Magdalena Marsovszky, die zur völkischen Politik und zum Antisemitismus in Ungarn forscht. Nach Inkrafttreten des neuen Mediengesetzes nähmen "die völkischen Inhalte und damit auch die Hetze" sogar noch zu; völkische Redakteure und Journalisten genössen "die vollkommene Unterstützung der Regierung".

Das bedeutet? Ein Gründungsmitglied des sich als "arisch" verstehenden Motorradclubs "Goj Motorradfahrer", berichtet Marsovszky, ist unlängst zum Chefredakteur des öffentlich-rechtlichen Senders Petofi Rádió ernannt worden. Ein Freund des "Freiheitskämpfers" (Klaus-Heiner Lehne) Orbán, der preisgekrönte Journalist Zsolt Bayer, wetterte Anfang 2011 in einer dem Ministerpräsidenten nahestehenden Zeitung, es sei ein Skandal, dass "die Kohns" in aller Welt Ungarn schlechtreden dürften. "Leider" sei es "nicht gelungen, einen jeden bis zum Hals im Wald von Orgovány zu verscharren". In diesem Wald begingen Anhänger des späteren Nazi-Verbündeten Horthy 1919 ein Massaker an Anhängern der ungarischen Räterepublik und an Juden. Die Pressefreiheit, da hat Lehne recht, ist nach Inkrafttreten des ungarischen Mediengesetzes durchaus gesichert - aber nur für Völkische.

Jörg Kronauer schrieb in KONKRET 2/11 über den Konfrontationskurs des Westens gegenüber China

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Literatur Konkret Nr. 36