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36 Jahre Konkret CD

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Heft 03 2007

Jürgen Roth

Irrtümlich verschwunden

Wo ist Michael Rudolf?

Seit dem 2. Februar wird der Schriftsteller und KONKRET-Autor Michael Rudolf vermißt. Gegen elf Uhr morgens hatte er das Haus in der Greizer Uhlandstraße verlassen, ohne seiner Frau und seiner Tochter eine Nachricht zu hinterlassen.

Michael Rudolf hat weder seine Geldkarte noch seinen Paß mitgenommen, noch Winterkleidung. Er ist noch einmal in der Greizer Innenstadt gesehen worden. Mit einem leeren Rucksack auf dem Rücken und stierem Blick scheint er sich in Richtung eines der weiten Wälder rund um Greiz aufgemacht zu haben, möglicherweise auch in Richtung Berlin. Aber auch das ist nur eine Vermutung. Bislang fehlt jeder weitere Hinweis auf den Verbleib von Michael Rudolf.

Angehörige und Freunde von Michael Rudolf befürchten das Schlimmste. Die Polizei Greiz hat sich mit den nötigsten Maßnahmen begnügt. Man hat einen Wald oberhalb von Greiz mit einer Hundestaffel durchsucht und behandelt den Fall seither wie einen Aktenvermerk. Auch die übergeordnete Polizeibehörde in Gera scheint den Fall nicht so ernst zu nehmen, wie sie zunächst nach einer verzweifelten Intervention von Michael Rudolfs Frau glauben machte. Dem Hinweis, daß Michael Rudolf am 2. Februar in der Greizer Innenstadt gesehen worden ist, geht man nicht nach. Die Möglichkeit, einen ominösen nächtlichen Telephonanruf bei einem Freund von Michael Rudolf nachzuverfolgen (Geräusche offenbar von einem Bahnhof, ohne daß sich eine Stimme gemeldet hätte), hat man wie folgt beschieden: "Uns liegt die Auffindung des von Ihnen genannten Vermißten, Herrn Rudolf, auch sehr am Herzen. Leider haben wir bisher keine Hinweise und sind auf die Mitarbeit der Öffentlichkeit - insbesondere von Bekannten und Verwandten - im besonderen Maße angewiesen. Für die Überprüfung von Verbindungsdaten nach dem Polizeiaufgabengesetz (eine andere Möglichkeit haben wir bei der Vermißtenproblematik nicht) gelten sehr strenge Datenvorschriften. Ich kann eine solche Überprüfung bei den Providern nur dann beantragen, wenn eine akute Gefahrenlage vorliegt. Die ist aus dem von Ihnen dankenswerter Weise mitgeteilten Sachverhalt nicht ableitbar."

Inkompetenz? Behördliche Gleichgültigkeit? Die "Gefahrenlage" ist der Polizei durch die Schilderungen von Michael Rudolfs Frau sehr wohl bekannt. Michael Rudolf hat auch Freunden gegenüber beiläufig immer wieder fallengelassen, er wolle "keine fünfzig werden". Er leidet seit vielen Jahren unter starken psychischen Problemen, verbunden mit schweren körperlichen Symptomen. Noch kurz vor seinem Verschwinden wollte er sich deshalb wieder in die Obhut eines Neurologen begeben. Bevor er am 2. Februar ohne ein Zeichen verschwand, hat er noch alle aktuellen Arbeiten abgeschlossen, darunter ein aufwendiges Buchmanuskript ("Atmo. Bingo. Credo. Das ABC der Kultdeutschen" erscheint im März in der Edition Tiamat, unter www.edition-tiamat.de ist auch ein Foto des Autors abrufbar).

In seiner Autobiographie, dem Montageroman "'Morgenbillich' - Die Wahrheit über Holger Sudau", ist von dem "irrtümlich verschwundenen" Sudau, d. i. Michael Rudolf, die Rede. Und im ersten Band der Reihe "Öde Orte", in dem Michael Rudolf unter seinem Pseudonym Holger Sudau über seine Heimatstadt Greiz geschrieben hatte, ließ er im Autorenverzeichnis vermerken: "Holger Sudau, 1962-95, war verheiratet und hatte eine Tochter."

Michael Rudolfs Frau und seine Tochter sind, wie Angehörige und Freunde, in höchster Sorge. Die anhaltende Ungewißheit ist genauso unerträglich wie das Phlegma der zuständigen Polizeibehörden.

Es sei hier deshalb dringlich darum gebeten, jeden Hinweis, und sei er noch so abgelegen, an die KONKRET-Redaktion (Marit Hofmann, Tel. 040-851 25 30; redaktion@konkret-magazin.de) zu melden.

(Ein ähnlicher Text ist vorab am 23. Februar in der "Jungen Welt" erschienen.)

KONKRET Text 56


KONKRET Text 55


Literatur Konkret Nr. 36