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36 Jahre Konkret CD

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Heft 03 2005

Magnus Klaue

Hegels Triumph

Studiengebühren machen den Studenten klar, wozu sie da sind

Wie zu erwarten war, hat das Verfassungsgericht im Januar das bundesweite Verbot von Studiengebühren für rechtswidrig erklärt. Die Entscheidung hat zunächst föderalismuspolitische Relevanz: Da Bildung Ländersache ist, muß die Konkurrenz der Bundesländer um die "besten" resp. arschkriecherischsten Studenten erlaubt sein und darf nicht durch bundespolitische Lenkung verzerrt werden. Endlich ist klargestellt, was manche/r schon früher geahnt hat: daß Bildung kein Gut, sondern eine Ware und Humboldt gerade denen, die seinen Namen gern im Munde führen, schnurz ist.

Der Versuch sozialdemokratischer Bundesländer, sich durch Zusicherung eines gebührenfreien Erststudiums bei den Studierenden einzuschleimen, dürfte ein kurzzeitiges Epiphänomen sein. Da fortan die teuersten Unis als die besten gelten werden, weil höhere Gebühren mehr Einnahmen und diese eine bessere Studiensituation bedeuten, werden auch Nordrhein-Westfalen, Berlin oder Brandenburg sich der neuen Geldquelle nicht verschließen, sofern sie nicht als Proleten-Abladestelle gelten wollen. Weil die Einführung von BA- und MA-Studiengängen, die als verpflichtendes Vollzeitstudium konzipiert sind, es den Studenten schwer machen wird, nebenher zu jobben, bleiben jenen, die weder reiche Eltern haben noch Mitlied im RCDS sind, nur zwei Möglichkeiten der Finanzierung: Stipendien oder Bafög. Wer einmal versucht hat, letzteres zu beantragen, wird verstehen, weshalb viele freiwillig darauf verzichten; und Stipendien kommen vor allem Sprößlingen des bürgerlichen Milieus zugute, tragen also zur Zementierung schichtenspezifischer Ungleichheiten bei.

Die übrigen Folgen der Kombination von BA-/MA-Studiengängen und Gebührenpflicht sind aus dem angloamerikanischen Raum bekannt: Reduzierung der Studentenzahlen, Verschwinden der Unterschichten, Transformation der Unis in berufsausbildende Fachhochschulen, Senkung der Frauenquote, Absterben der "Orchideenfächer", Verschulung des Lehrangebots, Frustration und Verblödung der Studierenden und Lehrenden. Der Student der Zukunft entscheidet sich für natur- oder wirtschaftswissenschaftliche Fächer, die es ihm erlauben, sich die notorische "Existenz" aufzubauen und deren Sicherung gegen den eigenen Verstand einzutauschen. Die zum Teil bereits eingeführten Studienkonten und Kredite machen die Studierenden finanziell abhängig und sorgen für ihre Hörigkeit; der zur sozialen Reproduktion notwendige autoritäre Charakter bildet sich von selbst.

Im Sinne des hegelschen Weltgeistes ist das freilich auch ein Fortschritt. Endlich wird den Studenten bewußt, was eine romantisch camouflierte Bildungspolitik lange verschwieg: daß sie in den Augen der Bildungspolitiker und Unipräsidenten nichts als Gesindel sind, das nachbeten muß, was von den Chefetagen souffliert wird, und das ansonsten zahlen und den Mund halten soll.

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Literatur Konkret Nr. 36