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36 Jahre Konkret CD

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Heft 11 2004

Erwin Riess

Der Krieg geht weiter

Der Nobelpreis für Jelinek: ein Angriff auf die österreichische Kulturnation

Vor langer Zeit schon hat die Welt sich gegen Österreich verschworen. Freche Ostkünstler fordern teure Bilder zurück; sauber gewählte Regierungen werden mit Sanktionen belegt, nur weil sie sich das demokratische Grundrecht herausnehmen, SS-Angehörige zu ehren. Dann endlich schien Ruhe einzukehren; die Seefestspiele Mörbisch feierten mit Lehár und Kalman Besuchs- und die Salzburger Festspiele mit Harnoncourt und Schlingensief Kassenrekorde.

Da wirft das Ausland der Kulturnation abermals den Fehdehandschuh vor die Füße und verleiht der meistgehaßten Frau Österreichs den Literaturnobelpreis. Solche Würdigungen bekamen bislang nur österreichische Juden, die nach Amerika emigriert waren und sich in den Wissenschaftlerlobbies tummelten. Aber einen in Österreich lebenden Menschen diesen Preis zuzuerkennen, kommt einer kulturellen Kriegserklärung gleich. Sie geht weit über das hinaus, was die perfiden Schweden Berlusconi antaten, als sie Dario Fo mit dem Preis bedachten.

Angesichts des internationalen Medienechos ist es nicht übertrieben, den Zangenangriff Jelinek/Ausland auf die Kulturnation als heimtückischen Überfall auf ein neutrales Land zu bezeichnen, und wenn man die empörten Stimmen der Patrioten in der "Kronen-Zeitung" liest, wo das Volk seitenweise gegen eine Dichterin sich empört, die vom Volk nicht autorisiert worden ist, ihre schrille Stimme zu erheben; wenn man weiter die Standhaftigkeit Haiders ("werfe dieser Frau keine Blumen hinterdrein)" und der FPÖ-Kultursprecherin Partik-Pablé ("zieht Österreich seit Jahren in den Dreck") berücksichtigt und in Rechnung stellt, daß der ORF, die Stimme der Regierung in einer feindlichen Medienwelt, Jelinek mit einem kleinen Interview würdigt, diesem aber ein dreimal so langes mit dem Bischof von St. Pölten voranstellt, dann sollte die Welt endlich begreifen, daß diese Frau von den großherzigen Österreichern als schwerste Bedrohung seit Ausrufung der Republik 1918 empfunden wird. Was Österreich betrifft, ist Elfriede Jelinek ein ideelles Massenvernichtungsmittel.

Es spricht für das Ingenium der heimischen Kulturpolitik, daß sie schon prophylaktisch auf diesen Anschlag reagierte, indem sie ein Vademecum der wahren österreichischen Literatur, einen "Austriakoffer", herauszugeben sich beeilte, unter Anleitung des ideellen Gesamtösterreichers Günter Nenning, der in allen politischen Lagern zuhause ist, und unter Beteiligung einiger linker Autoren, die froh sind, endlich ein Plätzchen unter dem Schirm der Kulturnation gefunden zu haben. Müßig zu erwähnen, daß die "Preisträgerin" sich wie so viele ihrer vaterlandslosen Gesellen von diesem Projekt zurückgezogen hat.

Soviel muß dem Ausland klar sein: Der Kampf wird weitergehen. Eine Kulturnation läßt sich von niemandem in den Dreck ziehen, nicht vom Ausland und auch nicht von einem Brückenkopf des Auslands in der Kulturnation: Elfriede Jelinek. Dafür sind die anständigen Österreicher selbst zuständig.

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Literatur Konkret Nr. 36