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36 Jahre Konkret CD

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Heft 03 2000

Georg Hodel

Das "Octogon"-Komplott

Schwarze Kassen und geheime Konten in der Schweiz und in Liechtenstein gab es schon, bevor Helmut Kohl Kanzler wurde. Aktenfunde in der Schweiz belegen: Deutsche Geheimdienstler aus der Nazi-Zeit hatten zu Beginn der 50er Jahre im liechtensteinischen Schaan unter dem Namen "Octogon Trust" eine Waffenschieberzentrale eingerichtet. Sie vermittelte Rüstungsgeschäfte und leitete Provisionszahlungen in Millionenhöhe den Unionsparteien und dem Bundesnachrichtendienst (BND) zu

Die festungsähnliche Villa mit ihren unterirdischen Anlagen liegt versteckt hinter einer hohen Umfassungsmauer, die ein Achteck oder Oktogon bildet. Sie wurde mitten im II. Weltkrieg von dem aus Baden-Württemberg stammenden Wehrmachtsbeauftragten und V-Mann der Abwehr, Rudolf Ruscheweyh, für über eine Million Franken erbaut. Das Geld dafür hatte sich der ehemalige Leiter der Abwehrfiliale in Paris durch die Vermittlung von schweren Waffen des in die Schweiz eingewanderten Rüstungsproduzenten Emil Bührle an das Dritte Reich verdient.

Zu den Leuten, die in den ersten Nachkriegsjahren bei Ruscheweyh in Liechtenstein die Aufwartung machten, gehörten Agenten, Militärs und Geschäftsleute aus Ost und West. Ein besonders häufiger Besucher war der chinesische Generalkonsul Hans Klein, der zu Beginn des Krieges im Auftrag von NS-Abwehrchef Wilhelm Canaris von Berlin nach Meggen am Vierwaltstättersee gezogen war. Er betätigte sich dort, wie der schweizerische Nachrichtendienst schon damals vermutete, als Verwalter von in der Schweiz angelegten Geheimfonds der deutschen Abwehr.

"China-Klein" habe zu Kriegsende über ein Restvermögen der Abwehr von bis zu 250 Millionen Franken verfügt, wollte der militärische Nachrichtendienst in der Schweiz ermittelt haben. Dazu wären noch Fluchtgelder aus Frankreich, die Ruscheweyh in Liechtenstein gehortet hatte, gekommen, die ebenfalls in die treuhänderische Verwaltung von Klein übergingen. Sehr prominente Unionschristen, wie der damalige Adenauer-Vertraute und Finanzberater der westlichen Besatzungsmächte, Robert Pferdmenges, reisten im Jahre 1953 zu "China-Klein", dem Hüter des Millionenschatzes.

Klein und Ruscheweyh waren im internationalen Waffenhandel tätig und wurden von der Schweizer Bundespolizei überwacht. Aus deren Observationsberichten geht hervor, daß von der geheimnisvollen Firma "Octogon Trust", die am 24. Januar 1952 in das liechtensteinische Handelsregister aufgenommen wurde, geschäftliche und nachrichtendienstliche Beziehungen nach Bonn und in alle Welt gingen. Sie erstreckten sich vom Genfer Rüstungskonzern Hispano-Suiza bis zum amerikanischen Waffenhändler E. V. D. Wight und dem nachmaligen Direktor des amerikanischen Geheimdienstes CIA, Allen W. Dulles, der während des II. Weltkrieges in Bern als Stationschef des "Office for Strategic Services" (OSS) Fäden zu Hitlers Gegnern in den Reihen des Abwehrdienstes gesponnen hatte.

Zu dieser Zeit, 1953, herrschte in der Bundesrepublik gerade Wahlkampf. Die Frage der Wiederbewaffnung Deutschlands hatte die politischen Parteien in einen tiefen Zwiespalt gestürzt. Und so hatte sich der amerikanische Geheimdienst dazu entschieden, wie der ehemalige Staatsminister im Auswärtigen Amt, Karl Moersch, erklärte, all diejenigen Parteigruppierungen finanziell zu unterstützen, die bereit waren, für die Wiederbewaffnung einzutreten. Moersch war damals Journalist und Mitglied der FDP, die er in den 60er Jahren im Bundestag vertrat.

Dem damaligen Oppositionspolitiker Moersch war zugetragen worden, daß der Sohn des Nachrichtengenerals Oster, Major Achim Oster, vom Bundeskanzleramt beauftragt worden war, mit Hilfe von Ruscheweyhs "Octogon Trust" ein Milliarden-Panzergeschäft mit Hispano-Suiza abzuwickeln, das von Adenauers Kanzleramtschef Dr. Otto Lenz arrangiert worden war. Im Sommer 1956 hatte der Bonner Verteidigungs- und Haushaltsauschuß eine Vorlage für die Beschaffung von 10.000 Schützenpanzern vom Typ HS30 im Auftragswert von 2,78 Milliarden Mark gutgeheißen, die in Genf bei Hispano-Suiza geordert wurden.

Aufgrund eines Pappmodells des Panzers wurde ein Vorvertrag abgeschlossen und sogleich eine Anzahlung von 254 Millionen Mark geleistet. Dieser Vertrag war von Lenz, Generalmajor Oster, dem späteren Chef des Militärischen Abwehrdienstes (MAD) und Hispano-Suiza-Vertreter Conrado José Kraémer alias Kurt Kraemer, der außerdem für den BND tätig war, ausgehandelt worden. Doch das Panzergeschäft war ein Fiasko. Wegen erheblicher Konstruktionsmängel mußte der Schützenpanzer mehrfach umgebaut werden. Am Ende wurden schließlich nur knapp über 2.000 Einheiten aus deutscher und britischer Fertigung geliefert.

Der Bundesregierung entstand ein Verlust von 200 Millionen Mark. Auf der Gewinnerseite standen die Herren des "Octogon Trust", die angeblich Provisionen von bis zu 30 Millionen Mark eingesteckt hatten, wie Ex-Staatssekretär Karl Moersch glaubt. Moersch, der 1966/67 im parlamentarischen Untersuchungsausschuß saß, der die Hintergründe der Panzer-Affäre zu ergründen suchte, hält es für möglich, daß diese Millionensummen bei den beiden Zürcher Bankinstituten "Julius Bär" und "Von Tobel" deponiert worden sind.

Unter den 130 Zeugen, die vom Ausschuß gehört wurden, befand sich auch der ehemalige Luzerner Nachrichtendienstler Paul Schaufelberger. Der hatte dem damaligen bundesdeutschen Verteidigungsminister Franz Josef Strauß die Aufwartung gemacht, um ihn vor den undurchsichtigen Machenschaften der "Octogon"-Leute zu warnen und um ihn bei einer allfälligen Strafuntersuchung die Bereitschaft der Schweizer Behörden zu signalisieren, Rechtshilfe zu leisten.

Doch Strauß machte von Schaufelbergers Angebot keinen Gebrauch. Im Gegenteil, er bestritt, daß ihm der Schweizer Geheimdienstmann jemals ein solches Hilfsangebot unterbreitet hatte, und ließ die Meldung verbreiten, Schaufelberger habe sich als Lobbyist für die im Panzergeschäft rivalisierenden Konkurrenten von Hispano-Suiza betätigt. Mehr noch, eine Liste mit mehr als einem Dutzend Namen von Personen, die angeblich von Hispano-Suiza Schmiergeldzahlungen erhalten hätten, verschwand plötzlich. Die Liste, die der britische Militärattaché in Bern, Colonel Freyer, ausgearbeitet hatte, war Strauß im Oktober 1958 vom ehemaligen Reichsminister Gottfried Treviranus anläßlich des Besuches des britischen Premiers McMillan überreicht worden.

Auch CDU-Gründungsmitlied Dr. Werner Plappert, ein vehementer Kritiker des Panzergeschäfts, erklärte gegenüber der Zeitschrift "deutsches panorama": "Andeutungen, die mir in der Schweiz gemacht worden waren, und zwar im Zusammenhang mit der Lieferung von hundert Geschützen, die der Octogon Trust für den Bundesgrenzschutz besorgt hatte, weckten bei mir den ersten Verdacht: Es hieß, fünf Prozent der Kaufsumme seien in die Bundesrepublik zurückgeflossen, und zwar an Beamte und CDU-Politiker."

Plappert, der den Fall mit Schaufelberger, dem schweizerischen Polizeichef Dr. Fritz Dick und dem Bundesanwalt Dr. Hans Fürst 1959 in Luzern eingehend besprochen hatte, ließ die Angelegenheit nicht auf sich beruhen. Im Sommer 1965 ließ er Bundeskanzler Ludwig Erhard zwei Briefe zustellen, in denen er behauptete, daß das HS30-Panzergeschäft der CDU insgesamt "eine Wahlhilfe von ca. 50 Millionen DM" eingebracht habe.

Plappert wurde in Bonn zur Unperson, auch seine wirtschaftliche Situation verschlechterte sich dramatisch. Drei Jahre nachdem er vom Untersuchungsausschuß gehört worden war, steckte er sich einen schweren Drehstock in den Mantel und sprang bei Überlingen in den Bodensee: Seine Leiche wurde im März 1970 nach einer mehrwöchigen Suchaktion entdeckt. Dem "Südkurier" war eine Art Abschiedsbrief zugespielt worden, in dem es hieß, er scheide aus dem Leben, weil sein "20jähriger Kampf gegen die Herrschaftsclique in der Bundesrepublik" keinen Erfolg gehabt habe.

Auch Lenz, der den Panzerdeal eingefädelt hatte, verstarb unter ungewöhnlichen Umständen. Es kursierte die Vermutung, er sei vergiftet worden. Im offiziellen Totenschein heißt es, daß er an einer "bösartigen Malaria" und einer "akuten Harnvergiftung" gestorben sei. An seiner Statt wurde seine Sekretärin und Mitarbeiterin des BND, Maria Clerc, alias Effie von Horn, alias von Dattendorfer, von Untersuchungsausschußmitglied Karl Moersch auf neutralem Boden in Österreich einvernommen. Sie hatte sich ins Kufstein zurückgezogen, aus Furcht, in Deutschland verhaftet zu werden.

In einer eidesstattlichen Erklärung, erklärte sie: "... ich habe Herrn Dr. Otto Lenz häufiger auf Reisen nach Paris und Genf begleitet. Dort traf Herr Dr. Lenz u. a. in Genf Herrn Kraémer von der Hispano-Suiza und Herrn Guisan, den Sohn des Generals Guisan, in Paris Herrn Robinson, einen Bankier aus Tanger und Vermögensverwalter der Lady Mosley, geborenen Guiness, sowie Herrn Marc Bloch, der mir als Waffenhändler bekannt ist. Was besprochen wurde, weiß ich nicht. Ich weiß jedoch, daß Herr Robinson 1956 eine größere Geldsumme für den Wahlkampffonds der CDU gestiftet hat ..."

"Frau von Dattendorfer, oder wie immer sie hieß", bestätigt der ehemalige "Stern"-Reporter Sepp Edelseder, "fand seither keine Ruhe mehr. Ständig wechselte sie ihre Wohnadresse. Sie war, man kann es nicht anders sagen, auf der Flucht." Ebelseder kannte sie von der Begegnung in Kufstein und hatte seither mit ihr regelmäßig korrespondiert. Doch zwei, drei Jahre später blieb die Post aus. Sie hatte sich, wie Ebelseder erfahren mußte, etwa zur gleichen Zeit wie Dr. Plappert das Leben genommen.

Woher die Millionen des "Octogon Trust" eigentlich genau stammten und vor allem, wohin sie transferiert worden sind, konnte der Untersuchungsausschuß in Bonn nie wirklich klären. Zu viele wichtige Zeugen durften oder konnten nicht gehört werden. Seither wird "geschwiegen und verschwiegen", wie CDU-Vorstandsmitglied Heiner Geissler unlängst sein Leid klagte. Vielleicht kann CDU-Wirtschaftsprüfer Horst Weyrauch ein wenig Licht in die Affäre bringen.

Georg Hodel schrieb in KONKRET 4 / 88 über die Karriere von Manuel Noriega

Georg Hodel

Woher stammen die Nazi-Millionen?

Rudolf Ruscheweyh und Hans Klein sind von der Schweizer Bundespolizei nicht nur wegen des Panzergeschäfts observiert worden. Sie standen auch im Verdacht, im großen Stil Nazivermögen verschoben zu haben.

Rudolf Ruscheweyh beschaffte als Mittelsmann schwere Feldkanonen und Munition für das Oberkommando der Wehrmacht. Als Entgelt strich er Provisionen von über 10 Millionen Franken ein. Außerdem schleuste er Gold- und Devisenschätze des französischen Nazi-Kollaborationsregimes von Pierre Laval nach Liechtenstein. Nach dem Zusammenbruch von Vichy-Frankreich versuchte Ruscheweyh, Premier Laval über die Schweizer Grenze in Sicherheit zu bringen. Der Plan mißlang jedoch, und nach der Verhaftung durch die Alliierten wurde Laval in Paris vor ein Militärgericht gestellt und standrechtlich erschossen. Eine vertrauliche Aktennotiz der schweizerischen Bundesanwaltschaft belegt, daß gegen Ruscheweyh auch eine polizeiliche Untersuchung betreffend der Verschiebung von Nazigeldern eingeleitet worden war.

Hans Klein wurde ebenfalls überwacht. Entsprechend informierte der damalige Chef der Bundespolizei, Werner Balsiger, im Juli 1953 seinen Vorgesetzten, Bundesrat Dr. Markus Feldmann. Die Schweizerische Verrechnungsstelle (SVSt), welche die Geldflüsse zwischen Nazideutschland und der Schweiz überwachte, hatte wegen angeblicher "Vermögensverschiebungen zugunsten deutscher Staatsangehöriger" gegen Klein ermittelt.

Kleins Safe bei der Kreditanstalt in Luzern war im Zuge der Observierung geöffnet und ein Verzeichnis der gefundenen Dokumente und Wertschriften erstellt worden. Die Behörden stießen dabei auf ein versiegeltes Bündel von Schweizer Banknoten im Werte von 27.000 Franken, das dem ehemaligen Reichsbankpräsidenten Hjalmar Schacht gehörte und dort wohl als Notgroschen deponiert worden war. Auch befand sich unter den Dokumenten ein Schriftwechsel über zahlreiche Devisentransfers im Auftrag des ehemaligen Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß sowie über Bewegungen auf einem Geheimkonto der Abwehr bei der Bank für Anlagewerte in Zürich, für das Heß' Schwager Edgar Horn und Ex-Nationalrat Emil Duft zeichnungsberechtigt waren. Gemäß Bundesanwaltschaft habe Klein "einen Fonds von angeblich 250 Millionen Schweizer Franken, wobei es sich um ehemalige, nach Kriegsende nicht abgelieferte deutsche Abwehrgelder in der Schweiz handle", verwaltet.

KONKRET Text 56


KONKRET Text 55


Literatur Konkret Nr. 36