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36 Jahre Konkret CD

36 Jahre Konkret CD


Heft 07 2004

Gert Ockert

Blamage No. 911

Der irrwitzige Dilettantismus der CIA

Alles Unheil der US-Außenpolitik seit dem Zweiten Weltkrieg rührt aus ihrem Versuch, Unheil für die eigene Nation zu vermeiden. Dafür wurde 1947 die CIA gegründet. Fast alle Verschwörungstheorien der vergangenen 50 Jahre verdanken sich dem irrwitzigen Dilettantismus des nächst dem KGB mächtigsten Geheimdiensts der Weltgeschichte.

Müßte man nicht Menschenopfer sonder Zahl beklagen wegen dieser äußerst geheimen Behörde und ihrer Machenschaften, man hätte allen Grund, die sogenannte "Agentur für zentrale Aufklärung" für eine staatliche Dépendance des äußerst absurden Theaters zu halten. Die bislang letzte Episode in einer langen Serie grotesker Fehler und Pannen war zunächst allerdings ein Erfolg - nämlich der Sturz der Saddam-Hussein-Diktatur.

Doch der Hauptzeuge für den Feldzug der Bush-Soldaten gegen die irakische Armee wird heute verdächtigt, für seine eigenen Zwecke mit den schiitischen Erzfeinden in Teheran munter gekobert zu haben. Ahmed Tschalabi - Whiskykenner, Waffenschmuggler und Windhund - hatte seit dem zweiten Golfkrieg mit viel Charisma und noch viel mehr Frechheit die neokonservativen Ideologen, die heute George W. Bush beraten - Paul Wolfowitz z. B. oder Richard Perle -, überredet, den Irak für den Hort weltweiten Terrors und die zweitgefährlichste Nation der Welt gleich nach den USA zu halten. Es galt bis vor kurzem als ausgemacht, daß der etwas undurchsichtige Mann das Erbe Saddams im unterworfenen Irak antreten würde.

Ein Jahr nach dem Einmarsch in Bagdad erleben die Insassen des Weißen Hauses nichts anderes mehr als Desaster: folternde G.I.s, weggesprengte Satrapen, zerfetzte Zivilisten. Und sie haben sich die Greuel, die sie verantworten, u.a. eingebrockt, weil sie einem Mann vertrauten, der als Hochstapler und Verräter haargenau zur schizophrenen Struktur der CIA paßt. Er, Tschalabi, lächelte wie gemalt und log wie gedruckt, und er trug so dick auf, daß niederen Chargen der CIA durchaus mulmig wurde ob seiner Meldungen. Doch man hörte ihnen nicht zu. Nun haben die höheren Herren den Salat, und George Tenet, der Chef der Agentur, mußte sich weinend verabschieden.

"Geheimdienstarbeit ist wie die Bibel lesen", konstatiert korrekt Judith Yaphe, die zwei Jahrzehnte lang Irakexpertin der CIA war. Und weil dies eine eher esoterische Aufgabe ist, fordern einige US-Kongreßabgeordnete inzwischen einen neuen Inlands-Geheimdienst, der erledigt, was die CIA einfach nicht packt. "Wir müssen sicherstellen, daß alle Geheimdiensterkenntnisse zusammengeführt und ausgetauscht werden, die uns dabei geholfen hätten, den 11. September zu verhindern." Sagt John Leland, vormals Marineminister der USA. Er hat offenbar vergessen, daß die CIA einst installiert wurde, um genau diese Koordination zu übernehmen.

Und wirklich nützen wird die neue Schnüffelagentur sowieso nicht. Denn wie der von Bush geschaßte Regierungsbeamte Richard Clarke korrekt bemerkte: "Amerikaner können Geheimnisse nicht für sich behalten."

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Literatur Konkret Nr. 36