Freitag, 29. März 2024
   
Startseite Konkret Hefte Konkret Texte Sonderhefte Konsum Online Konkret Verlag

Das aktuelle Heft



Aboprämie



Studenten-Abo



Streetwear



36 Jahre Konkret CD

36 Jahre Konkret CD


Heft 10 2006

Jörg Kronauer

Absichern & flankieren

Längst wird die globale Konkurrenz auf dem afrikanischen Kontinent auch militärisch ausgetragen. Mit tatkräftiger Beteiligung der Deutschen.

Heeresflieger über dem Congo River". Pure Abenteuerromantik versprüht einsatz.bundeswehr.de. Aus tropischer Dämmerung blickt ein Elefant vom Bildschirm, ein Dunkelhäutiger schaut bewundernd auf zu einem Glanzstück überlegener europäischer Technologie: Ein deutscher Militärhubschrauber schwebt heran: "Eufor - CH 53 GS im Landeanflug", untertitelt die offizielle Website des Potsdamer Einsatzführungskommandos stolz das Foto. Ein bißchen unbequem ist es schon in der ehemaligen Kolonie, die 1885 auf einer internationalen Konferenz in Berlin Belgien zugeschlagen wurde: "Es gibt kein Überwachungsradar, und die kongolesischen Fluglotsen sprechen nicht immer gut verständliches Englisch." Doch der deutsche Soldat, der schlägt sich in der Wildnis schon durch.

Der größte bundesdeutsche Truppeneinsatz auf dem afrikanischen Kontinent geht derzeit in die zweite Halbzeit - bevor er eventuell verlängert wird. Bereits in den letzten Augusttagen waren in der Hauptstadt Kinshasa militärische Auseinandersetzungen aufgeflackert, auch die Bundeswehr war an der damaligen Eufor-Operation beteiligt. Mit einer erneuten Eskalation wird Ende Oktober gerechnet, wenn es bei der Stichwahl um das Präsidentenamt ans Eingemachte geht. Von Kolonialromantik dürfte nicht mehr viel zu spüren sein, sollte die Bundeswehr tatsächlich in einen offenen Krieg verwickelt werden. Selbst wenn diesmal wider Erwarten alles gut ginge: Das erste Feuergefecht mit Beteiligung von Bundeswehrsoldaten in Afrika ist wohl nur eine Frage der Zeit. Das legt die sich zuspitzende Konkurrenz der globalen Mächte nahe, die bei Nato und EU in konkrete Vorbereitungen für Afrika-Kampfeinsätze übergeht.

Die Konkurrenzlage in Afrika setzt sich peu à peu im politischen Alltagsbewußtsein fest. Um verschiedene Vorteile geht es in Afrika, um geostrategische Positionen ebenso wie um Zugang zu den immensen Rohstoffvorkommen des Kontinents. Das Grundproblem ist banal: Die reichen Gesellschaften des Westens müssen ihre Herrschaft global absichern; zudem benötigen sie für ihre Stromkabel immer noch Kupfer und können trotz des technologischen Fortschritts ohne Niobium keine Düsenmotoren bauen. Das alles gibt es in Europa kaum, aber im afrikanischen Copperbelt oder in kongolesischen Minen zuhauf. Wer weiterproduzieren will, um den westlichen Reichtum zu sichern, muß sich den Zugang zu den Materialien offenhalten. Daß sich etwa die Kupferpreise infolge der rasant steigenden globalen Nachfrage in den vergangenen vier Jahren fast verfünffacht haben, erhöht den Wert der sambischen und kongolesischen Vorkommen zusätzlich. Und steigert das westliche Interesse am unmittelbaren Zugriff auf die lukrativen Ressourcen.

Hatten sich in Afrika seit dem Ende der Systemkonkurrenz vor allem die westlichen Mächte breitgemacht, so entfaltet dort jetzt auch China umfangreiche Aktivitäten. "In den Klauen des Drachen" wähnte die "Taz" kürzlich den Kontinent - in der unaggressiven Sprache, die man von dem grünen Hausblatt gewohnt ist. "Der chinesisch-afrikanische Handel hat sich seit 1999 verzwanzigfacht, von zwei Milliarden auf 40 Milliarden Dollar", berichtete die Zeitung und fühlte sich dadurch schwer gestört. Denn das sei schließlich schon "die Hälfte des Handelsvolumens zwischen Afrika und der EU, das sich eigentlich als privilegierter Partner des Nachbarkontinents sieht".

Vorausschauende Außenpolitiker kümmerten sich schon vor Jahren um die "Privilegien" der ehemaligen europäischen Kolonialmächte. "Nein, überhaupt nicht", antwortete Uschi Eid (Bündnis 90/Die Grünen) im Januar 2004 dem "Tagesspiegel" auf die Frage, ob die Bundesregierung den Kontinent nicht sträflich vernachlässige: "Spätestens seit dem G8-Gipfel in Genua 2001 betreibt der Kanzler eine aktive Afrikapolitik." Drei Monate nach dem Gipfel hatte Gerhard Schröder Uschi Eid zu seiner persönlichen "G8-Afrika-Beauftragten" ernannt, die den 2002 verabschiedeten "Afrika-Aktionsplan" der großen Industrienationen (G8) im deutschen Sinne begleitete. "Für mich entscheidet sich die Menschlichkeit unserer Welt am Schicksal Afrikas", teilte der frischgekürte Bundespräsident Horst Köhler am 1. Juli 2004 der erstaunten Öffentlichkeit mit. Der Kontinent ist ein Schwerpunkt seiner Präsidentschaft. Während der Tätigkeit als Geschäftsführender IWF-Direktor hat er dort zahlreiche Kontakte zu afrikanischen Politikern geknüpft, die er seit seinem Amtswechsel zur Durchsetzung deutscher Interessen nutzt.

Die deutsche Afrikapolitik hat traditionelle Schwerpunkte. Einer davon - der wirtschaftlich bedeutendste - ist Südafrika. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts verdienten deutsche Konzerne hier gutes Geld. Zahlreiche südafrikanische NS-Bewunderer, die während des Zweiten Weltkriegs in Opposition zu ihrer englandtreuen Regierung standen, stützten nach dem Krieg das neue Apartheidregime. Deutsche "Wirtschaftsführer der Nachkriegszeit trafen in Südafrika auf eine Gesinnung, die ihnen aus der Zeit des deutschen Faschismus vertraut war", schreiben Birgit Morgenrath und Gottfried Wellmer in ihrer Studie "Deutsches Kapital am Kap". Es gelang den Deutschen, ihren Wirtschaftseinfluß in Südafrika stark auszubauen. Die deutschen Direktinvestitionen stiegen von 80 Millionen Mark im Jahr 1960 auf rund 2,5 Milliarden Mark 1983, die deutschen Exporte in den Apartheidstaat erreichten im Jahr darauf rund 6,7 Milliarden Mark - Spitzenwerte in Afrika südlich der Sahara. Die deutsche Wirtschaftsmacht hat sich über das Ende des Apartheidregimes hinaus gehalten: Südafrika ist bis heute der wichtigste Wirtschaftspartner der Berliner Republik auf dem gesamten Kontinent.

Südafrika ist für Deutschland nicht nur als Billiglohnland und als Absatzmarkt nützlich, es hat auch geostrategische Bedeutung. Zu Zeiten der Systemkonfrontation galt es als antikommunistischer Bündnispartner, den es um jeden Preis zu stärken galt. Heute ist Südafrika Hegemonialmacht im Süden des Kontinents und hat weiterreichende Ambitionen in ganz Afrika. Die guten deutschen Kontakte nach Pretoria sind daher für die deutsche Afrikapolitik von hohem Nutzen. Das gilt auch für ihre militärische Variante. Nicht nur weil Südafrika bereits mehrfach Empfänger umfangreicher deutscher Rüstungsexporte gewesen ist. Anfang des Jahres veranstalteten die Luftwaffe und die Bundesmarine gemeinsam mit der südafrikanischen Armee ein binationales Manöver am Kap der Guten Hoffnung. Damit "soll die Zusammenarbeit zwischen den südafrikanischen und deutschen Streitkräften geübt werden, um eine gemeinsame Basis für zukünftige Operationen zu schaffen", hieß es bei der Bundeswehr dazu.

Nicht zukünftig, sondern bereits gegenwärtig finden deutsche Militäroperationen im Osten des Kontinents statt. Im Sudan, in Äthiopien und Eritrea sind Bundeswehrsoldaten unter Uno-Mandat stationiert, vor der somalischen Küste kreuzen Marineeinheiten. Ihr Stützpunkt ist der Kleinstaat Djibouti, ein begehrter Militärstandort. Frankreich unterhält dort eine Militärbasis mit 2.500 bis 3.000 Soldaten, die USA wollen ihr Camp Lemonnier (derzeit 2.200 Armeeangehörige) weiter ausbauen. Deutschland mischt mit der Marine kräftig mit und ergänzt seine Militärpräsenz um eine entwicklungspolitische Einflußnahme vor allem in Äthiopien (s. KONKRET 1/06). Äthiopien wird in Ostafrika einige Bedeutung zugeschrieben: Das Land gilt dort als militärische Regionalmacht sowie als christlich geprägtes Bollwerk gegen den Islamismus in Somalia und im Norden des Sudan.

In Ostafrika über Einfluß zu verfügen, dürfte für die deutsche Außenpolitik in den kommenden Jahren immer wichtiger werden. "Asien ist auf dem Weg zum bedeutendsten Exportziel deutscher Güter", stellt die Konrad-Adenauer-Stiftung in einer im Juli erschienenen Studie fest. Für "die deutsche Konjunktur, die immer noch am Exporttropf hängt", sei die Sicherung der Transportwege nach Ostasien "zu der entscheidenden Bedingung für fortgesetztes Wachstum geworden". "Das gilt um so mehr für die Nadelöhre des internationalen Handels, zu denen auch das Rote Meer und die Meerenge am Horn von Afrika gehören", schreibt die Stiftung über die geostrategische Bedeutung der ostafrikanischen Küste. Es sei klar, "daß die Bundesregierung weiterhin bereit sein muß, sich militärisch in der Region zu engagieren".

Schlagzeilen macht gegenwärtig der Westen Afrikas: Mauretanien und der Senegal, die beiden derzeit wichtigsten Transitländer afrikanischer Flüchtlinge auf dem Weg zu den Kanarischen Inseln. Beide Länder sind ehemalige französische Kolonien; entsprechend stark ist dort der Einfluß Frankreichs. Die deutsch inspirierte Flüchtlingsabwehr der Europäischen Union wertet die Bedeutung des Gebiets deutlich auf, denn immigrationswillige Afrikaner sollen nach Möglichkeit bereits in den Hoheitsgewässern der westafrikanischen Staaten abgefangen werden. Inzwischen sind europäische Grenzschutzeinheiten in den Küstengewässern vor Mauretanien und dem Senegal im Einsatz. Und seit Beginn des Jahres mehren sich die Kontakte zwischen deutschen und mauretanischen Regierungsvertretern.

Dabei richtet sich das Interesse der Deutschen noch auf einen zweiten Bereich in Mauretanien. 2001 wurden vor der Küste des Landes umfangreiche Erdölvorkommen gefunden, die Förderung ist im Februar dieses Jahres angelaufen. Im Unterschied zu vielen anderen Erdölstaaten ist hier ein deutsches Unternehmen mit im Spiel: die Kasseler BASF-Tochter Wintershall, die in einem weiteren Land des arabischsprachigen Nordafrika, in Libyen, inzwischen zum größten ausländischen Erdölförderer aufgestiegen ist. Als der Staatsminister im Auswärtigen Amt Günter Gloser (SPD) kürzlich Mauretanien besuchte, hatte er Wirtschaftsbelange im Sinn. Er "informierte sich über Investitionsmöglichkeiten für deutsche Unternehmen und mahnte mehr Rechtssicherheit für unternehmerisches Engagement in Mauretanien an", teilte das Auswärtige Amt mit. Von Forderungen nach Rechtssicherheit für abgefangene Flüchtlinge, die in Mauretanien bereits mehrfach in der Wüste ausgesetzt wurden, berichtete Glosers Pressestelle nichts.

Die Investitionsmöglichkeiten, die das Auswärtige Amt deutschen Firmen in Mauretanien zu eröffnen sucht, betreffen längst nicht nur die Erdölförderung selbst. Auch in ihrem Umfeld bieten sich lukrative Aufträge. Paradigmatisch hat das der deutsche Baukonzern Bilfinger Berger gezeigt. Als in den 1970er Jahren die nigerianische Erdölindustrie boomte, eröffnete das Mannheimer Unternehmen eine Tochterfirma in der Hauptstadt Abuja. Die Öleinnahmen ermöglichten es der Regierung, im Laufe der Zeit eine ganze Reihe prestigeträchtiger Großbauten errichten zu lassen - von der Bilfinger-Tochter Julius Berger Nigeria, die zeitweise mit bis zu 20.000 Mitarbeitern der größte private Arbeitgeber des Landes war. Die gewinnbringende Tätigkeit warf auch politischen Ertrag ab. Der (laut der Mannheimer Konzernzentrale) "enge, vertrauensvolle Kontakt", den Bilfinger-Vorstandsmitglied Hans Wittmann während der Zeit der Militärdiktatur zur nigerianischen Regierung hielt, brachte ihm schließlich das Bundesverdienstkreuz am Bande ein.

Die deutschen Einflußmöglichkeiten in Afrika sind vielfältig. In Nigeria beispielsweise bestehen sie nicht nur aus Kontaktnetzen wie demjenigen des ehemaligen Bilfinger-Vorstands Wittmann, die informell, aber dennoch höchst wirkungsvoll arbeiten und auch in anderen afrikanischen Staaten existieren. Während Wittmann mit der Militärregierung kooperierte, stützte die Friedrich-Ebert-Stiftung seit den 1990er Jahren Kräfte um einen gewissen Olusegun Obasanjo. 1991 setzte sich Helmut Schmidt für Obasanjos Kandidatur zur Wahl des UN-Generalsekretärs ein, 1996 erhielt der Nigerianer den "Menschenrechtspreis" der Stiftung. "Präsident Obasanjo genießt in Deutschland beträchtliches Vertrauen, nicht zuletzt wegen seiner persönlichen Kontakte zu Alt-Bundeskanzler Schmidt, zur Afrika-Stiftung, zum Afrika-Verein und der Friedrich-Ebert-Stiftung", teilt das Auswärtige Amt auf seiner Website mit.

Doch reicht das alles noch nicht, um in Nigeria wirklich Einfluß auszuüben. Das ist nachteilig für Berlin, denn die Staaten am Golf von Guinea entwickeln sich derzeit zum Schauplatz heftiger Konkurrenzkämpfe. Die Vereinigten Staaten wollen künftig bis zu einem Viertel ihres Öl- und Gasbedarfs von dort beziehen, Nigeria ist schon jetzt fünftgrößter Öllieferant der USA. Der strategische Konkurrent, die Volksrepublik China, hat sich mit dem Erdölkonzern China National Petroleum vor wenigen Monaten in ein umfangreiches nigerianisches Ölfeld eingekauft (Preis: zwei Milliarden US-Dollar) und sich gleichzeitig vier weitere Konzessionen gesichert. Ähnlich gestaltet sich die Lage in Angola. Der zweitgrößte Erdölproduzent südlich der Sahara liefert 40 Prozent seiner Ölausfuhren in die Vereinigten Staaten und 30 Prozent nach China. Wie fast überall in Afrika macht Beijing Schritt für Schritt den westlichen Staaten die Vorherrschaft streitig - auch im Golf von Guinea, einem zentralen Ölliefergebiet der USA.

Im Sudan wird die globale Konkurrenz bereits kriegerisch ausgetragen. Die dortigen Bürgerkriegsfraktionen stützen sich auf unterschiedliche auswärtige Mächte. Die Zentralregierung kooperiert mit der Volksrepublik China, die mit Abstand der größte Abnehmer des sudanesischen Hauptexportprodukts ist: Erdöl. Öl sorgt für 80 Prozent der Export- und für 40 Prozent der Staatseinnahmen des Landes, 69 Prozent der gesamten sudanesischen Ausfuhren gehen nach China. Die Sezessionsmilizen im Süden des Sudan (SPLM/A) und in Darfur hingegen verfügen über enge Kontakte nach Washington und teilweise auch nach Berlin; ihnen gilt die ungebrochene Sympathie der westlichen Eliten. Ob sich US-Pläne durchsetzen lassen, die in Darfur stationierten Einheiten der Afrikanischen Union durch Nato-Truppen mit Uno-Mandat zu ersetzen, ist ungewiß. Bereits der Versuch zeigt jedoch, in welchem Stadium sich die militärische Eskalation der globalen Konkurrenz um Afrika bereits befindet.

Beinahe unverhüllt stellte die Nato im Juni ihren Machtanspruch zur Schau. "Steadfast Jaguar" hieß das Manöver, das das westliche Kriegsbündnis in Kap Verde durchführte, einer Inselgruppe im Atlantik westlich von Afrika. Rund 7.000 Soldaten, darunter 2.100 aus Deutschland, nahmen an der letzten großen Kriegsübung der Nato Response Force (NRF) vor dem Erreichen ihrer vollen Einsatzfähigkeit im November 2006 teil. Als Szenario dienten fiktive Kämpfe bewaffneter Milizen um die Kontrolle von Energierohstoffen, geprobt wurde unter anderem die Erstürmung einer Küste. Wenige Wochen zuvor hatte der Nato-Oberbefehlshaber in Europa, James Jones, erklärt, das Kriegsbündnis müsse fähig sein, Ölvorkommen und Öltransporte am Golf von Guinea zu sichern - in Nigeria etwa, so Jones. Dort, mitten im hart umkämpften US-amerikanisch-chinesischen Konkurrenzgebiet, greifen Rebellen immer wieder Ölfördereinrichtungen an, um eine gerechtere Verteilung der Rohstofferlöse durchzusetzen.

Die NRF werde "auf Afrika zugeschnitten", kommentierte die "Taz" das Manöver in Kap Verde. Auch "die zunehmend einsatzbereiten Battle-Groups der Europäischen Union" seien "gerade mit Blick auf mögliche Einsätze in zerfallenden Staaten in Afrika" konzipiert worden, rief wenig später die Konrad-Adenauer-Stiftung in Erinnerung. Die EU hat sich damit gegenüber den USA eine auch militärisch eigenständige Afrikapolitik gesichert. Der diesjährige Kongo-Einsatz ist - nach seinem Vorläufer im Jahr 2003 - der zweite große Testlauf dafür. Die Kriegsoptionen der Berliner Außenpolitik gegenüber dem afrikanischen Kontinent nehmen damit konkretere Formen an: Truppenentsendungen, die sich weder mit den Vereinten Nationen noch mit den Vereinigten Staaten bewerkstelligen lassen, können in Zukunft praktisch in eigener Regie durchgeführt werden.

Allerdings muß Berlin dabei nach wie vor auf Frankreich Rücksicht nehmen. In seinen ehemaligen Kolonien, der Frankophonie, beansprucht Paris nach wie vor eine nahezu unumschränkte Hegemonie. Deutsch-französische Machtkämpfe haben beispielsweise im vergangenen Jahr in Togo, einer Kolonie erst des Kaiserreichs, dann Frankreichs, zu heftigen Auseinandersetzungen geführt, in deren Verlauf unter anderem die Außenstelle des Goethe-Instituts in Lomé in Brand gesetzt wurde. Da die togoische Regierung eng mit Frankreich verbunden ist, setzte Deutschland während der Streitigkeiten auf die Opposition. Zu einem Machtwechsel, der den französischen Einfluß in Togo stark verringert, den deutschen aber vergrößert hätte, kam es nicht - im Unterschied zu anderen Staaten der Frankophonie. Madagaskar etwa, unter der vorigen Regierung strikt an Paris orientiert, öffnet sich deutschem Einfluß, seit im Jahr 2002 oppositionelle Kräfte an die Macht gelangten - mit deutscher Hilfe. Das blutigste Beispiel eines solchen französisch-deutschen Einflußwechsels dürfte Ruanda sein: Dort ist Frankreich seit dem Genozid des Jahres 1994 mehr oder weniger aus dem Spiel.

Im Rahmen des Kongo-Einsatzes dauern die deutsch-französischen Konkurrenzkämpfe an (s. KONKRET 5/06); das zeigt schon die Struktur der Eufor-Truppe, die von Potsdam aus geleitet wird, vor Ort aber einen französischen Kommandeur hat. Die Konkurrenz betrifft unter anderem den Truppenstandort in Gabun. Frankreich sei "mit Abstand wichtigster außen-, sicherheits- und wirtschaftspolitischer Partner" des Landes, beschreibt das Auswärtige Amt die aktuelle Situation: "Wirtschaftspolitisch werden französische Interessen durch die Erdölförderung, die Manganerzproduktion und den Abbau tropischer Hölzer durch alteingesessene französische Unternehmen abgesichert, flankiert von französischen Beratern in der Administration." Klare Machtverhältnisse also. Von einem rührenden Beispiel deutscher Humanität berichtet jetzt die romantische Website einsatz.bundeswehr.de. "Eine Delegation des deutschen Sanitätseinsatzverbandes Eufor RD Congo besuchte das Omar-Bongo-Militärkrankenhaus in Gabuns Hauptstadt Libreville", liest man dort. "Während der Gespräche wünschte sich die gabunische Seite eine Zusammenarbeit zwischen den Sanitätsdiensten beider Nationen", heißt es - eine dauerhafte bilaterale Kooperation wird angestrebt: Einer von vielen kleinen Schritten zum Ausbau des deutschen Einflusses in Afrika.

Jörg Kronauer schrieb in KONKRET 9/06 über den Einfluß der deutschen Wirtschaft in Osteuropa

KONKRET Text 56


KONKRET Text 55


Literatur Konkret Nr. 36