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36 Jahre Konkret CD

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Heft 10 2008

an konkret

GERMANISTIK

KONKRET 8/08: Gremlizas Express

Für Brecht war Kraus der erste Schriftsteller seiner Zeit. Karl Kraus, dem Dichter, war das Wort der Geist; er ficht mit dem Wort gegen den Ungeist, um die Zermalmung der Kreatur anzuklagen, die im Namen der Humanität sprachlich so lange betrieben wird, bis die Menschlichkeit inhuman verendet. Bertolt Brecht, dem Kämpfer, war der Geist das Wort; er ficht mit dem Begriff gegen die geistlose und somit unmenschliche Realität, und er ficht poetisch, weil das Bild des Grauens, der reine Schrecken, nur in der Milderung des Sinnbilds sich darstellen läßt. Es war eine schöne, weil nicht beabsichtigte, aber objektiv noch mögliche Arbeitsteilung, in der Kraus und Brecht zugleich eng verbunden und tief getrennt ihre Arbeit machten. Diese Zeit ist vorbei. Hermann L. Gremliza ist der exemplarische Typus des heutigen Schriftstellers, der alles selber machen muß, das Lehrstück, die Satire, den Essay, die sprachverliebte poetische Glosse und die Polemik gegen die Menschenverachtung, die sich aufwendig als Verachtung der Sprache zu erkennen gibt, ehe sie sich zum simplen Totschlag bequemt. Nicht weil er sich das alles aufbürdet, steht Gremliza allein da, sondern weil ihm das alles aufgebürdet wird. Der nachbürgerliche Kapitalismus dieser Tage liquidiert seine frühbürgerliche Basis, die Arbeitsteilung, und ernennt jedes Mitglied der Zwangsgemeinschaft, auch das deklassierteste, zu einem Unternehmer, der sich entweder durchschlägt oder untergeht. Dieses humanistische Programm ist dank der Sozialdemokratie, die man sich zu diesem Zweck gehalten hat, der Arbeiterklasse erfolgreich oktroyiert worden. Proletariat und Lumpenproletariat kämpfen unternehmerisch ums Überleben von einem Tag auf den anderen. Neu und originell ist, wie der kümmerliche Rest an bürgerlicher Intelligenz, den man als aparte Opposition ertrug, nun ebenfalls, da der Kapitalismus sich als die beste aller Welten versteht, die Widerspruch weder braucht noch duldet, zum Gaudium der Herrschenden auf jenen Markt geworfen wird, den es nicht mehr gibt. So sieht sich die Intelligenz, die sich für ein belebendes Element der Herrschaft hielt, unvorbereitet als neue Klasse wieder, als Lumpenbourgeoisie. Sie gerät darüber nicht in Entzücken, sondern in Panik. Noch nie wurde dieses Phänomen so treffend dargestellt wie in Gremlizas Lehrstück über den Herrn Justus W., einen "zum Mehrwertmullah konvertierten Exkommunisten", der sich in rasender Verzweiflung, vielleicht doch noch von den Herrschenden gebraucht zu werden, auf einem nicht existierenden Markt windet, in der Hoffnung, daß seine Verrenkungen, die er für solche des Geistes hält, wahrgenommen werden. Gremliza registriert sie unnachsichtig und belustigt. Und so hat Justus W. immerhin im Register der Schmach einen fixen Platz.
- Michael Scharang, Wien -

Zur Sache Justus W. vs. Salih. Anfang dieses Jahres demonstrierten mehrere Tage lang Jugendliche in Köln-Kalk, nachdem ein Freund marokkanischer Herkunft namens Salih auf der Straße von einem weißen Jugendlichen erstochen worden war. Höchstwahrscheinlich handelte dieser in Notwehr auf einen Angriff Salihs. In der antideutschen Szene wurde darüber mit ressentimentgeladenem Ton geschrieben. Die Demos der Jugendlichen hatten nur zu Beginn hauptsächlich den Tod von Salih und das als ungerecht empfundene Verhalten von Polizei und Staatsanwaltschaft zum Inhalt. Der Tenor war: "Was wäre, wenn der Täter dunkelhäutig und der Tote weiß gewesen wäre?" Es sei darauf hingewiesen, daß zu jenem Zeitpunkt in der Boulevardpresse der rassistische Koch-Wahlkampf tobte und in München auf rassistische Weise gegen die Jugendlichen gehetzt wurde, die einen Rentner in der U-Bahn angegriffen hatten. Den Kalker Jugendlichen ist das nicht entgangen. Dazu kommen ihre täglichen Erfahrungen mit institutionellem Rassismus bei Polizei, Arge, Ausländeramt etc. und dem Alltagsrassismus der deutschen Gesellschaft. Die Forderung der Jugendlichen war - so naiv und unpolitisch, wie sie sind: "Wir wollen Gerechtigkeit!" Die Kölner Linke hat hier versagt, bis auf wenige Ausnahmen fanden sich kaum Leute ein, die versucht hätten, hier kritisch zu intervenieren - auch gegen sich einmischende Gangs und islamfundamentalistische Kreise.
- Gruppe Somost, Kalk -

PROGNOSTIK

KONKRET 9/08: "SPD ade" von Hermann L. Gremliza

Sollte H. L. Gremliza mit seiner Überschriftsprognose im aktuellen Editorial "SPD ade" recht behalten, dann müßte auch der ergebenste SPD-Anhänger Rosa Luxemburgs bald 100 Jahre alter Beurteilung dieser Partei in wenigen Jahren zustimmen: "Die SPD ist ein stinkender Leichnam." Und weil Gremliza schon mal beim Prognostizieren war, hat er gleich einen weiteren Blick in die Kristallkugel gewagt: Demnach wird spätestens 2013 der Regierungssitz wieder in Bonn sein, wobei zudem die Linke Minister stellt. Zumindest die Rückverlegung des Regierungssitzes in das provinzielle Bonn und das Ableben der SPD sind angenehme Vorstellungen.
- Erich Schenk, per E-Mail -

Ja, Hartz IV wirft ein gutes Licht in den Innenhof der SPD. Da steht sie bloß, die Marketingabteilung des Kapitals. Nimmt man die ARGEn Leitfäden zur "Kunden"-Fallbehandlung, erscheint als Gesellschaftsmodell dieser Partei - das Arbeitslager.
- Daniel Fraiberg, Köln -

MUSIK

KONKRET 9/08: Platte des Monats

Lieber Wenzel Storch, das Lied, welches Sie in Ihrer CD-Besprechung in der neuen KONKRET erwähnen und von dem Sie weder Interpretin noch Titel wissen, heißt "Ich stell' mich um auf andersrum", wurde gesungen von Edith Elsholtz und findet sich auf Klaus-Günter Neumanns toller LP "Des alten Knaben Wunderhorn" (BASF/Cornet, ca. 1969). Weitere Highlights dieser Platte sind Renata Romanas "Schade, daß du nicht der Marquis de Sade bist" und Die Sextanten mit "Ja, ja, der Gruppensex". Wenn Sie möchten, mache ich Ihnen gerne eine MC-Kopie der ganzen LP und schicke sie Ihnen zu.
- Jens Raschke, per E-Mail -

KRITIK

KONKRET 9/08: "Streber vs.Profikiller" von Jan Süselbeck

Wie dankbar bin ich Ihnen für den Artikel über Herrn D. Kehlmann, dem man am besten doch den Preis wieder wegnehmen sollte! Welch ein eingebildeter Lackaffe!
- Karin Heinrich, Berlin -

EROTIK

KONKRET allgemein (und überhaupt)

Nach dem wiederholtem Aufguß einer unsäglichen "RAF"-Debatte nun also eine "Wenzel-Storch-Debatte"? Man könnte meinen, es gäbe keine ernsthaften Probleme mehr in der Welt. Das wirre Gequassel und die Schmuddelbildchensammlung des offensichtlichen Drogenopfers Storch sind ebenso unappetitlich wie überflüssig. Was es dem gesellschaftlichen Fortschritt helfen soll, wenn das halbe Heft den Themen Fahrradfahren und Pilzesammeln gewidmet wird, bleibt unklar. Ein Herausgeber, der Genossen, die er nicht mehr leiden mag, als Faschisten beschimpft, wenn sie seine anti-imperialistischen und antiamerikanischen Sprachregelungen nicht teilen wollen, macht aus dem ehemaligen Leuchtturm KONKRET ein manövrierunfähiges Wrack. Wenn Gremliza nicht bald das Ruder an seinen "Kronprinzen" Kunstreich abgibt, wird KONKRET sinnlos.
- Heiko E. Dohrendorf, Bad Salzuflen -

KONKRET Text 56


KONKRET Text 55


Literatur Konkret Nr. 36