Rezensionen
Winfried Wolf
Bombengeschäfte
Die politische Ökonomie des Kosovo-Krieges
208 Seiten
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ISBN 978-3-89458-185-5
vergriffen

"Schon die Ankündigung, sich mit der 'politischen Ökonomie des Kosovokrieges' zu beschäftigen, hebt sich positiv von der die Proteste prägenden Klage über die Völkerrechts- und Grundgesetzwidrigkeit des Bundeswehreinsatzes ab, die auch die Argumentation der PDS bestimmte.
Wenn Wolf vom 'Kosovokrieg' spricht, meint er den Krieg der Nato gegen Jugoslawien, der schließlich zur Eroberung der serbischen Provinz und zur Errichtung einer Protektoratsherrschaft führte. Er behandelt nur am Rande den Bürgerkrieg zwischen der separatistischen UCK und Truppen der jugoslawischen Zentralgewalt., der den Bombardements vorausging und durch diese intensiviert wurde. Die Ereignisse auf dem Balkan erscheinen lediglich als Auslöser, der die Militärmaschine der Nato in Gang setzte. Als treibende Kraft macht Winfried Wolf hingegen die Militärisch-Industriellen Komplexe der Nato-Staaten, insbesondere der USA aus. Er ergreift für keine der kriegführenden Seiten Partei, sowohl was den Bürgerkrieg, als auch was den Interventionskrieg angeht, konzentriert sich allerdings notwendigerweise auf die Analyse der Nato. Die jugoslawische Regierung hatte im Gegensatz zum westlichen Militärbündnis kein Interesse an einer militärischen Konfrontation und zeigte sich dementsprechend, beispielsweise mit der Genehmigung der Stationierung von OSZE Beobachtern im Herbst 1998, kompromissbereit. Gezielt auf eine Militärintervention der Nato hingearbeitet haben dagegen die albanischen Separatisten, die zu dem Schluß gekommen waren, daß sie einen von ihnen beherrschten Kleinstaat nur mittels Krieg und diesen Krieg nur mit Hilfe der Nato gewinnen konnten. Aber auch die UCK taucht ebensowenig wie serbische Profiteure des Krieges im Kapitel 'Kriegsgewinnler unterschiedlicher Art' auf.
Der Kosovo selbst hatte für die Nato, so Wolf, die Bedeutung eines 'Showrooms' zur Demonstration ihrer Militärmacht, insbesondere ihrer waffentechnischen Überlegenheit. Die ökonomische Dynamik des militärisch-industriellen Komplexes, die Rolle der Rüstungsindustrie und auch die Rivalitäten zwischen den imperialistischen Ländern, insbesondere zwischen den USA und der EU, werden von ihm ausführlich dargestellt- auch wenn mir der von ihm behauptete Zusammenhang zwischen dem Krieg und der, auch bald ein Jahr nach dem Krieg fortdauernden Abwertung des Euro gegenüber dem Dollar, nicht klar geworden ist.
So wichtig es ist, endlich auf die wirtschaftlichen Interessen in diesen Krieg hinzuweisen, problematisch ist die Tendenz, den Krieg allein ökonomisch erklären zu wollen. Exemplarisch für diese Schieflage in Wolfs Analyse ist folgendes Zitat:
'Wenn Rüstung und Kriege nicht dem volkswirtschaftlichen Nutzen dienen, dienen sie dann wenigstens den ‘höheren’, ‘vaterländischen’ Zielen? Das muß rundherum verneint werden. Tatsache ist, daß in allen Kriegen, die im ausgebildeten Kapitalismus geführt wurden, die ‘nationalen’ Rüstungskonzerne gegen die ‘nationalen’ Kriegsziele verstießen und Geschäfte gerade mit dem Kriegsgegner machten'.
Das liest sich so, als würde Wolf diesen vermeintlichen Verrat bedauern, auch wenn er ein paar Zeilen später doch noch die Kurve kriegt und statt dessen die Arbeiterklasse dazu aufruft, sich an der 'Vaterlandslosigkeit' der Kapitalisten ein Vorbild ein Vorbild zu nehmen. Aber diese Wendung folgt eben nicht aus seiner Behauptung. Er übersieht hier einfach, daß nicht einzelne Rüstungsunternehmen Krieg führen, sondern der Staat um dessen Machtentfaltung es geht, wenn von 'höheren, vaterländischen Zielen' die Rede ist. Dafür haben gegebenenfalls auch die unmittelbaren Profitinteressen der Einzelkapitale zurückzutreten - der Staat kommt dabei nur seiner Rolle als ideeler Gesamtkapitalist nach. Der Verweis auf die Geschäfte der Rüstungsindustrie mit dem Kriegsgegner überzeugt nicht. Solche Geschäfte machen nur einen winzigen Bruchteil der Geschäfte aus, die die Waffenschmieden im Kriegsfall mit der eigenen Regierung abwickeln. Die Rüstungsindustriellen sind aber nicht nur Geschäftsleute, sondern auch politisch denkende, partriotische Staatsbürger und suchen im Rahmen der nationalen Kriegsziele, die von ihnen mitausgearbeitet werden, ihren ökomischen Vorteil. Beispielsweise dürfte der Nationalismus der Eigentümer der Firma Krupp im ersten Weltkrieg außer Frage stehen, auch wenn das Unternehmen nach (!) dem verlorenen Krieg von der britischen Firma Vickers Lizenzgebüren für Granatzünder kassierte, 'drei Pfund Sterling, für jeden im britischen Kampfabschnitt gefallenen Soldaten'(32) Warum hätte man aus der Perspektive des Unternehmens darauf verzichten sollen? Ein Sieg Deutschlands hätte freilich ganz andere Gewinne ermöglicht.
90 Prozent der Rüstungsaufträge kommen vom (eigenen) Staat, Winfried Wolf nenn das 'kapitalistisch-staatliche Planwirtschaft'. ...
Politische Interessen, die gemeinsam von politischen Institutionen, Kapitalisten, und Militärs definiert werden, und Profitinteressen bedingen einander. Die Entscheidungen über Art und Umfang der Rüstungsproduktion sind aber vorrangig politische Entscheidungen. Erst mittelfirstig schlägt die Rüstungsproduktion gesamtwirtschaftlich negativ zu Buche - und dann werden zunächst die Sozialausgaben eingeschränkt, bevor es ans Eingemachte des staatlichen Gewaltapparats geht. Ebenso wie die Konzernen nicht nur im engen Sinne ökonomische Ziele verfolgen, sondern auch Politik machen, haben derart ausgedehnte bürokratische Apparate ihre ökonomischen Interessen und ihre Eigendynamik. Bezeichnend ist die von Interventionsbefürwortern gebetsmühlenartig vorgetragene Behauptung 'man müsse doch irgendetwas tun'. Das heißt natürlich nicht, daß sie persönlich irgendetwas tun müssten, sondern die deutsche Außenpolitik und die Bundeswehr - wozu werden sie schließlich bezahlt.
Das Militär braucht, allein schon zur Besitzstandswahrung, unbedingt einen Feind. Bricht der alte Feind über Nacht überraschend zusammen, wie 1989/90 mit der Sowjetunion geschehen, muß man schnell für einen neuen sorgen. Und sei es, in dem man aus vielen kleinen Feinden (Noriega, Saddam Hussein, General Aidid, Karadzic, Milosevic usw.) einen ominösen 'Feind' macht, der überall und nirgends ist, und dem es als 'Risikoabwehr' und 'Krisenmanagment' entgegen zu treten gelte.
Das Weltbild der Verteidigungspolitischen Richtlinien, ist ebenso ernst zu nehmen, wie das Bedürfnis der deutschen Nation, und hier sind nicht nur die herrschenden Eliten gemeint, nach einer 'normalen' Weltmachtrolle, trotz, oder seit diesem Krieg, gerade 'wegen Auschwitz'."
Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Marburg

"Winfried Wolf analysiert die Ursachen des Golfkrieges vor dem Hintergrund des militärisch-industriellen Komplexes. ...
Das Erklärungsmodell Winfried Wolfs sucht die Gründe für den Kosovokrieg in den Eigenheiten des militärisch-industriellen Komplexes (MIK). Voraussetzung des MIK ist die privatwirtschaftlich organisierte Rüstungsproduktion, die im Kapitalismus entstanden ist. Der Begriff des MIK entstand nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem das Zusammenwirken von politischen und wirtschaftlichen Interessen und Entscheidungen seinen ersten Höhepunkt erreicht hatte.
Der Begriff spricht eine dreifache, sich wechselseitig bedingende Verbindung an. Erstens jene zwischen militärischer und industrieller Produktion. Zweitens die enge personelle und strukturelle Verbindung zwischen Militär und Industrie. Drittens die Verbindung der Rüstungsindustrie mit der Politik. Um diese Zusammenhänge zu belegen, analysiert Wolf in seinem Buch nicht nur den Kosovokrieg, sondern alle großen Kriege seit den beiden Weltkriegen. ...
In Europa dominieren die politischen Interessen. Hervorzuheben ist hierbei das Interesse Deutschlands, nach der Wiedervereinigung von einer wirtschaftlichen Großmacht auch wieder zu einer militärischen zu werden. Wolf weist vor allem auf die Rolle Deutschlands bei der planmäßigen Zerstückelung Jugoslawiens nach dem Tod Titos hin, die viel zur Schürung von bereits vorhandenen Konflikten in Jugoslawien beigetragen hat und sich deutlich parallelisieren läßt mit der Aufwertung der Bundeswehr zu einem "normalen" Militär. Leider wird in diesem Zusammenhang, wie häufig in deutschen Publikationen, die Rolle der österreichischen Kriegstreiber, die teilweise den deutschen noch zuvor kamen, zuwenig beachtet.
Die europäische Union wurde teilweise durch die deutsche Politik in den Konflikt hineingezogen. Die Kriegsbegeisterung war keineswegs bei allen Staaten der Union von Anfang an vorhanden. Dennoch hat die EU letztlich in zweifacher Hinsicht profitiert. Erstens sind während des Balkankrieges die größten Fortschritte bei der Bildung der WEU als eigenständiger europäischer Arm der Nato erzielt worden. Andererseits hat der Krieg zwar zu einer deutlichen Schwächung des Euro in bezug auf den Dollar geführt, doch führte genau diese Schwächung dazu, daß die schmerzhaften Auswirkungen des Euro auf die Mehrzahl der EU-Ökonomien hinausgezögert wurden. Die Schwächung des Euro stellte für die schwächeren Euro-Länder, die sich einem wachsenden Konkurrenzdruck vor allem seitens der deutschen Industrie ausgesetzt sehen, eine Atempause dar. Ihr eingeengter Spielraum für Exporte in die Euro-Zone wurde durch die verbesserten Exportchancen außerhalb des Euro-Raumes mehr als ausgeglichen.
Interessant ist auch Wolfs Betrachtung der Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Rüstungsproduktion. Die Gründung der EADC (European Aerospace and Defence Company) als Herausforderung der Amerikanischen Rüstungsproduktion war bereits in greifbarer Nähe. Führend wären in diesem Zusammenschluß die Dasa und mit ihr deren Mutter Daimler-Chrysler sowie die Deutsche Bank gewesen. Allerdings führte diese Aussicht in den anderen europäischen Ländern zu einer nationalen Konsolidierung der Rüstungsindustrie. Nationale Fusionen haben ein ganz anderes Kräfteverhältnis entstehen lassen. Das wiederum machte für die deutsche Dasa transatlantische Bündnisse attraktiv, wie sie seitens der USA angeboten wurden. Gewinner dieser Entwicklung sind die USA. Sie haben einerseits einen europäischen Konkurrenten verhindert und andererseits einem drohenden Entwicklungsstillstand durch Monopolisierung innerhalb der amerikanischen Rüstungsindustrie entgegengewirkt.
Hauptgewinner auf dem Gebiet der Militärökonomie sind also die USA. Die Rüstungsindustrie, die jeden Krieg als Showroom für neue Waffen nützt, erwartet Gewinne durch eine Erhöhung der staatlichen Militärbudgets, aber auch durch vermehrte Aufträge vor allem auch aus den neuen und zukünftigen Natomitgliedern, die nun rasch auf US-Standard umstellen. Für die USA, die in diesem Krieg politisch vor allem ihre Rolle als Weltpolizist ausgebaut haben, ihren bereits beim Dayton-Abkommen angemeldeten Führungsanspruch auch in Europa gestärkt und sich auch offiziell endgültig von den Fesseln der UNO befreit haben, trifft am ehesten zu, daß der Austragungsort des Krieges gleichgültig ist. Aber auch die USA konnten mit einem Krieg in Europa politische Ziele verbinden. Der Balkankrieg schadet ökonomisch dem NAFTA-Konkurrenten EU. Hohe Kosten kommen auf die EU durch Wiederaufbau und militärische Präsenz in den Kriegsregionen, deren Konflikte durch den Krieg ja nicht beseitigt, sondern verstärkt wurden, zu. Außerdem ist eine Umlenkung von zivilen zu militärischen Ausgaben in den eine Natomitgliedschaft anstrebenden Oststaaten zu erwarten. Diese schadet der EU, deren Stärke viel mehr in zivilen Industriezweigen liegt. Ein Erfolg der USA liegt auch darin, den Führungsanspruch des neu geschaffenen Euro gegenüber dem Dollar am Finanzmarkt gestoppt zu haben. Inzwischen gibt es sogar Stimmen, die einen Sieg des Dollar durch Vernichtung des Euro für möglich halten.
Wolf zeigt in seiner Analyse die verschiedensten Kriegsgewinnler auf und stellt klar, wer die Verlierer jeden Krieges sind. Hohe Rüstungsausgaben bedeuten letzten Endes immer einen Abzug vom gesellschaftlichen Reichtum."
Manfred Gmeiner, contextxxi.mediaweb.at

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