Leseprobe
Klaus Körner
»Der Antrag ist abzulehnen«
14 Vorwände gegen die Entschädigung von Zwangsarbeitern
Eine deutsche Skandalgeschichte 1945-2000
144 Seiten, broschiert
EUR 12.90     SFr 23.70
ISBN 978-3-89458-205-0

"Als die Bundesregierung im Januar 1954 zu Beginn der Außenministerkonferenz über die deutsche Frage an alle Litfasssäulen Plakate mit ihren Forderungen nach freien Wahlen, Bildung einer gesamtdeutschen Regierung und einem frei vereinbarten Friedensvertrag kleben ließ, kommentierte der Chefredakteur des Bayrischen Rundfunks, Walter von Cube, eine Einigung der Vier Mächte im Jahr 1954 bedeute, den Krieg noch einmal zu verlieren. Es müsse vielmehr darauf ankommen, den Friedensvertrag möglichst weit in die Zukunft zu verschieben. Jedes weiter Jahr mache den Frieden billiger. Der französische Wirtschaftshistoriker André Piettre brachte das Thema auf eine einfache Formel: 'Hauptfeind der Reparationen ist die Zeit'.

Bundeskanzler Adenauer und seine Nachfolger taten deshalb alles, um den Abschluss eines Friedensvertrages im Sinn einer Gesamtabrechnung der Alliierten für den Zweiten Weltkrieg zu verhindern. Dazu trugen auch Abschlagszahlungen in Form von Wiedergutmachungsleistungen bei. Über 120 Milliarden D-Mark hat die Bundesregierung bis zum Jahr 2001 gezahlt, um Verfolgte des Nationalsozialismus, vor allem Deutsche oder frühere Deutsche, zu entschädigen. Die Entschädigung ausländischer Verfolgter, in der Mehrheit Zwangsarbeiter, war dagegen über Jahrzehnte ausgeschlossen und als unbestimmtes Zukunftsprojekt behandelt worden. Bonn wollte die Frage der Zwangsarbeiterentschädigung als Reparationsproblem bis zu einem Friedensvertrag, dessen Abschluss in den Sternen stand, vertagen. DA die Mehrheit der ehemaligen Zwangsarbeiter in Osteuropa lebte, konnte man davon ausgehen, dass sie durch den 'Eisernen Vorhang' an der Geltendmachung von Ansprüchen gehindert würden. Im Stillen Hoffte man, die Frage würde ihre 'biologische Lösung' durch den Tod der Anspruchsberechtigten finden. - Eine Rechnung, die im Wesentlichen aufgegangen ist, 90 % von ihnen sind inzwischen verstorben, jeden Tag sterben weitere 200." ...

... "Zum Teil wurden sie in Regiebetrieben der SS eingesetzt oder in Fabriken, die nahe einem KZ errichtete waren, so das I. G. Farben Werk in Auschwitz-Monowitz. Dort war die Behandlung durch das Firmenpersonal so brutal, dass manchmal sogar die SS einschreiten musste, um die Zwangsarbeiter zu schützen. Hier lebten die Arbeiter unter der ständigen Furcht, bei Arbeitsunfähigkeit im nahe gelegenen KZ ermordet zu werden.

Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter wurden in allen Branchen und Bereichen eingesetzt, von der Haushaltsgehilfin über den Landarbeiter oder Handwerker bis zum Arbeit in der Rüstungsindustrie. In den kleinen Betrieben wurden sie manchmal sogar ordentlich behandelt. Bei den großen Firmen herrschte das nüchterne Kalkül vor. Die Industrie erhielt zwar Produktionsauflagen von Rüstungsministerium, doch Zwangsarbeiter wurden nur Anforderung der einzelnen Firmen von den Reichstellen 'vermittelt', nicht etwa den Firmen gegen ihren willen zugewiesen. Billige Zwangsarbeiter ermöglichten der Industrie im Westen des Reiches umfangreiche Investitionen, die Basis für das spätere 'Wirtschaftswunder' der Bundesrepublik.

... Die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse von 1946 bis 1949 bildeten den ersten Versuch, die Verschleppung zur Zwangsarbeit zu ahnden. Im Staut des Internationalen Militärtribunals von 1945 sind 'Verschleppung zur Zwangsarbeit', 'Versklavung' und 'Zwangsverschleppung' als Kriegsverbrechen und Menschheitsverbrechen aufgeführt. Der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz, Fritz Sauckel, wurde deshalb im Hauptkriegsverbrecherprozess mit dem Tode bestraft. Im Folgeprozess gegen die 23 leitenden Angestellten der I. G. Farben wurden 13 von ihnen wegen desselben Verbrechens zu Haftstrafen verurteilt.

Aufgabe der Nürnberger Prozesse war die strafgerichtliche Aburteilung. Die Frage der Entschädigung der Zwangsarbeiter gehörte in den Komplex von Reparation und wiedergutmachung."

© Konkret Literatur Verlag, Ehrenbergstr. 59, 22767 Hamburg

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